Debütalbum von Modus Pitch aus Leipzig: Motivminiaturen in Rundumsound

Fritz Brückner nennt sein Soloprojekt Modus Pitch. Auf dem Debütalbum „Polyism“ bringt er den Instrumentenpark panoramatisch zum Schwingen.

Fritz Brückner, seine Instrumente und ein Kollege

Wer genau schaut, erkennt Fritz Brückner, aber auch seine Instrumente und einen Kollegen Foto: Altin Village

Alles fängt mit einer Melodie an, einer Melodie ohne Rhythmus, Tempo und Harmonien – auf dieser Regel beruht „Polyism“, das Debütalbum von Modus Pitch, veröffentlicht beim Leipziger Label Altin Village. Und die Musik trägt ihre präziseste Inhaltsangabe schon im Titel. Hinter Modus Pitch steht der Leipziger Musiker und Sounddesigner Fritz Brückner. „Polyism“ ist sein Debüt als Solist, ein Anfang, der auf zwei Jahrzehnten Erfahrung als Studiomusiker baut.

Brückner war auch Mitglied der Artrockband White Wine, tourte mit Yoko Ono durch die Welt und spielte bei Jan Böhmermann & das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld. Mit seinem Tonstudio Haunted Haus hat er seit Langem einen festen Platz in der Leipziger Musikszene und produzierte neben vielen anderen Künst­le­r:in­nen Drangsal, Dear Reader und Warm Graves.

Es mag an der kompositorischen Herangehensweise liegen, jede einzelne Melodie auf „Polyism“ wirkt akustisch genau erfassbar. Gleichzeitig bleibt oft vage, was eigentlich zu hören ist: In „Hill Top Jacuzzi“ fließt in hallverwischter, dubbiger Szenerie unter getragenem Saxofon leise pochend eine Klangschicht, die unmittelbar an Wasser denken lässt, ohne dass die klangliche Quelle preisgegeben wird.

Was knirscht denn da?

Ein regelmäßiges Knirschen gibt den sanften, um einen einzigen Ton gehaltenen Synthesizerflächen und dem darin schwebenden Vibrafon in „Iridescent Path“ Struktur. Ob es von Schritten eines Gehenden stammen könnte, nach denen das Geräusch klingt, bleibt der eigenen Überzeugung überlassen.

Modus Pitch: „Poylism“ (Altin Village/Morr Music/375 Media)

Umgekehrt verrät nur eine Ahnung den Ursprung der verfremdeten, gecutteten Samples in der stolpernd groovigen Single „Suspender“: Es ist die Stimme von Brückners vierjähriger Tochter. Das Instrumentarium von Modus Pitch ist ungewöhnlich groß und umfasst neben etlichen Analogsynthesizern auch selbst gebaute Klang­erzeuger.

Dank klassischer Musikausbildung kann Brückner zudem Instrumente einbinden, die im Popkontext eher selten vorkommen, wie etwa sein Fagott. Zusätzlich ergänzen zahlreiche Gäste die neun Stücke: Brückners musikalische Eltern Isabell und Bernd Brückner etwa sind mit Klarinette, Saxofon und Querflöte zu hören, Fabian Alt­stötter (Jungstötter) spielt Vibrafon, Johannes Döpping (Aua Aua, Schnaak) sitzt am Schlagzeug und Martin Wenk (Calexico) bedient die Trompete.

In ungewohnter Rolle mit fremden Produzenten

Für sein Solodebüt arbeitete Brückner zum ersten Mal mit einem anderen Produzenten zusammen, statt sich selbst in eine Doppelrolle zu zwingen: „Polyism“ wurde mit seinem langjährigen Freund P. A. Hülsenbeck produziert – auch bekannt als Mitglied der Indieband Sizarr und als Doomhound.

Die Musik auf „Polyism“ beeindruckt auch angesichts der Spannweite ihrer stilistischen Einflüsse von Jazz, Avantgarde und Klassik über elektronische Musik bis hin zu Dub und Funk und dennoch wirkt sie kaum zitathaft. Vielmehr erscheinen die Stücke als Teil einer fließenden musikalischen Ausdrucksweise in einer eigenen, extrem assoziativen Klangsprache.

Makroaufnahmen gehen nahtlos in Surroundsound über, gewaltige Räume bauen sich auf und brechen jäh wieder ab: In „Compound Eye Dialogue“ lassen sich zunächst schneidende Einwürfe eines Synthesizers ganz aus der mikrofonierten Nähe hören. Dann wächst im Hintergrund aus Bässen und Flimmern ein weiteres Panorama ringsherum. Das klingt, als wäre es immer schon da gewesen, bloß unbemerkt.

Und schließlich füllen diese gespenstische Größe einige kleine Motive – wenige Töne im schnellen Wechsel, gespielt von Klarinette, Saxofon und Querflöte. Sie bringen Wärme. Und dann, plötzlich, bricht der Synthesizer ab, die große dunkle Kuppel ist ganz fort und die Szene gleicht einem MinimalMusic-Werk. Die kleinen Motive umkreisen einander noch eine Weile, ganz nah.

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