Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Von der Leyens Resterampe

Das neunte Sanktionspaket der EU enttäuscht. Sinnvoller wäre eine kritische Bestandsaufnahme der bisherigen Maßnahmen gewesen.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bei einer Pressekonferenz

Sanktionen erweisen sich immer mehr als Symbolpolitik, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Foto: Florion Goga/reuters

Vor einem Jahr hat die EU damit begonnen, Sanktionen gegen Russland auszuarbeiten. Damals ging es noch darum, Moskau von einem Angriff auf die Ukraine abzuhalten. Dieses Ziel wurde verfehlt. Danach erließ die EU acht Sanktionspakete, die Russland schwächen und den Krieg verkürzen sollten. Auch dieses Ziel wurde nur teilweise erreicht. Die russische Wirtschaft schwächelt, doch der Krieg geht weiter.

Vor diesem Hintergrund sollte man erwarten, dass die EU Bilanz zieht und die Wirkung ihrer Sanktionen überprüft. Welche Ziele wurden erreicht, welche nicht? Welche Nebenwirkungen haben die Strafen auf Europa und die Welt? Ist der Preis der Strafen womöglich höher als ihr Nutzen? – Doch dies ist nicht geschehen. Die EU-Kommission hat es nicht einmal für nötig gehalten, eine Folgenabschätzung vorzulegen und sich kritischen Fragen zu stellen.

Stattdessen wählt Behördenchefin Ursula von der Leyen die Flucht nach vorn. Wenige Tage nachdem ein umstrittenes Ölembargo und ein löchriger Preisdeckel in Kraft getreten sind – wieder ohne durchschlagenden Erfolg –, präsentiert sie stolz das neunte Sanktionspaket. Die bisherigen Strafmaßnahmen hätten Russland schon sehr hart getroffen, behauptet sie, doch nun werde der Druck noch erhöht. Es klingt noch hohler als beim letzten Mal.

Die Vorschläge, die von der Leyen vorgelegt hat, wirken wie eine traurige Sammlung von der Resterampe. Mit den rücksichtslosen russischen Attacken auf die Energieversorgung in der Ukraine haben sie wenig zu tun. Zwar sollen diesmal Schlüsselfiguren des russischen Militärs abgestraft werden. Doch warum erst jetzt – warum nicht gleich zu Beginn des Kriegs?

Und was sollen weitere Handelsbeschränkungen für zivile Güter bringen, die auch militärisch genutzt werden können? Dual-Use-Produkte standen schon auf früheren Listen. Sie erneut anzuführen ist ein Eingeständnis, dass die bisherigen Strafen nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben – wie so viele andere Beschlüsse. Die Sanktionen erweisen sich immer mehr als Symbolpolitik.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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