Kontinent im Wandel: Reichsbürger schocken Afrika

Mit Erstaunen blickt Afrika auf die Entwicklungen in Europa. Doch anstatt die Chance zu erkennen, Versorgungslücken zu schließen, schaut man nur zu.

Eine Person mir russischer Flagge auf einem Motorrad

Demonstriert Unterstützung für Russland, in der Hauptstadt Burkina Fasos Ouagadougou im Oktober Foto: Sophie Garcia/ap

Dunkle Wolken zogen 2022 über Europa. Sie kamen aus Russland und verfinsterten zuerst die Ukraine. Afrikaner, die es gewohnt sind, vor Unheil zu fliehen, konnten nicht glauben, dass Menschen mit hellen Haaren und blauen Augen aus einem europäischen Land in andere Staaten flüchten und von Hilfsorganisationen versorgt werden mussten.

Schockiert über steigende Preise für Speiseöl und Seife machten wir Afrikaner genau das Falsche: Anstatt sofort Millionen unserer unbebauten, fruchtbaren Quadratkilometer Land zu erschließen, um Sonnenblumen anzubauen, die schon nach drei Monaten eine üppige Ernte bringen, schickten wir eine Präsidentendelegation nach Moskau, um dort Hilfe zu erbitten.

Als im September die dunklen Wolken England bewölkten, weil Königin Elizabeth II. starb, wurden wir überrascht Zeugen, wie im Vereinigten Königreich reibungslose Übergänge stattfanden, auch wenn die Premierminister in rascher Folge wechselten. Hoffentlich haben wir Afrikaner gelernt, wie wichtig es ist, Institutionen und Verfassungen zu respektieren und die Regeln einer friedlichen Machtübergabe zu befolgen.

Das Jahr endete mit einem Schock aus Deutschland, als dort Dutzende Putschisten festgenommen wurden. In Afrika hielten wir das zunächst für einen Scherz. Deutschland gilt in ganz Afrika als Vorbild für Exzellenz nicht nur in technischen Belangen. Wir waren ­schockiert, dass afrikanische Methoden des Regierungswechsels von Europas stärkster Wirtschaftsmacht erprobt werden sollten.

Den Silberstreif ergreifen

Auf der anderen Seite des Atlantiks hat Afrika zuvor über die Präsidentschaft von Donald Trump gewitzelt. Trump gefiel Afrika sehr, weil er zeigte, dass auch mächtige, entwickelte Staaten wie ein Zirkus geführt werden können. Trumps Weigerung, die Macht abzugeben, und der Putschversuch seiner Anhänger wurden in Afrika als Beweis gesehen, dass auch die USA auf unser Niveau sinken können.

Diese Haltung und Reaktion in Afrika ist aufgrund der Ereignisse während der Kolonialzeit leichter zu verstehen. Nach der Berliner Konferenz von 1884–85, bei der Afrika aufgeteilt wurde, entsandten die europäischen Mächte in der Regel respektable Fachkräfte zur Arbeit nach Afrika. So kamen weite Teile Afrikas damals mit Europa nur durch aufrichtige Missionare, Lehrer, Ärzte, Ingenieure und disziplinierte Militärs und Polizisten in Kontakt.

Als jedoch der Zweite Weltkrieg ausbrach, rekrutierten die europäischen Kolonisatoren viele Afrikaner als Soldaten. Sie erlebten, dass auch der „weiße Mann“ von Angst ergriffen und sogar besiegt werden kann. Bei ihrer Rückkehr überzeugten sie ihre Landsleute davon, dass die Kolonisatoren auch nur Menschen seien und bekämpft und vertrieben werden könnten. Das beschleunigte die Dekolonisierung.

Die unabhängigen afrikanischen Staaten wurden jedoch schlecht regiert. Viele Führer wurden zu Dieben, Diktatoren und Mördern. Viele gebildete afrikanische Fachkräfte begannen, nach Europa und Amerika auszuwandern. Später begannen Millionen afrikanischer Jugendlicher, allen Gefahren zu trotzen, um ihrem Kontinent zu entkommen. Deshalb erkennt Afrika heute nicht den Silberstreif in der Verunsicherung, die Europa und Amerika ergreift.

Will Afrika, wenn der Krieg in der Ukraine andauert, weiter nur Zuschauer sein? Afrika sollte feiern, dass der Kontinent die Möglichkeit hat, sich zu industrialisieren und sollte mithilfe des verfügbaren Wissens und neuer Technologien die Versorgungslücken schließen. Aber das ist nur ein Wunsch. Wie schnell es passieren kann, hängt davon ab, wann Afrika den Silberstreif in den dunklen Wolken über Europa sehen wird.

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lebt als unabhängiger Publizist in Ugandas Hauptstadt Kampala. Er ist ehemaliger Chefredakteur der Zeitungen Sunday Vision und Daily Monitor in Uganda und Mitgründer der Zeitung The Citizen in Tansania.

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