Biopic über Whitney Houston im Kino: Über alle Hautfarben hinweg

Regisseurin Kasi Lemmons erzählt im Film „Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody“ das Leben des Superstars.

Naomie Ackle als Whitney Houston in weißem Sweatshirt

Naomie Ackle als Whitney Houston in weißem Sweatshirt Foto: Sony Pictures

Wo sitzt die Stimme? Im Kopf, im Herzen, und in den Eingeweiden, den „guts“– so lernt es Whitney (Naomie Ackie) von ihrer Mutter Cissy (Tamara Tunie). Sie muss ihre „guts“, die sinnbildlich für Traute stehen, früh beweisen: Als Backgroundsängerin in Cissys Band tritt Whitney in Nachtclubs auf und wird von Cissy regelmäßig und in klassischer Eiskunstlaufmutter-Strenge trainiert.

Doch als die Mutter den Musikproduzenten Clive Davis (Stanley Tucci) im Publikum entdeckt, täuscht sie Heiserkeit vor – und überlässt ihrer begabten Tochter die Bühne. Das Match klappt: „Sie ist die größte Stimme ihrer Generation“, konstatiert der kleine, fast kahle Mann angesichts von Whitneys vokalen Kapriolen und bestellt sie ins Büro. Der Rest ist Legende.

Und mehr als Legende möchte Kasi Lemmons’ Biopic über die Popsängerin Whitney Houston keinesfalls sein. „I Wanna Dance with Somebody“, produziert unter anderem von Clive Davis und Whitneys Managerin und Schwägerin Pat Houston, deren Rollen im Film – wenig überraschend – schmeichelhaft angelegt sind, ist eine salbungsvolle, in Musik gegossene Laudatio.

Kratzt kaum an der Oberfläche

Nach einem Drehbuch des Biopic-Experten Anthony McCarten kratzt Lemmons trotz vieler authentischer Spannungsfelder rund um Whitneys Drogensucht und ihre versteckte Queerness kaum an der Oberfläche des Stars.

„I Wanna Dance with Somebody“. Regie: Kasi Lemmons. Mit Naomie Ackie, Ashton Sanders u. a. USA 2022, 146 Min.

Dass die Sängerin lange in einer Beziehung mit ihrer Assistentin Robyn Crawford lebte und dafür von ihrem Vater (Clarke Peters) stets geächtet und unter Druck gesetzt wurde, spielt vor allem am Anfang des Films eine Rolle. Nach Whitneys – aus einer Laune heraus eingegangenen – Liaison mit dem Musiker Bobby Brown (Ashton Sanders) verläuft das Thema jedoch im Sande: Die von Nafessa Williams mit viel Elan gespielte Robyn fügt sich, wie alle Figuren um Whitney, in die Entourage und schaut zu, wie Whitney im Glitzerkleid mit Schulterpolstern zum Himmel singt und dabei die Arme ausbreitet – weil diese Geste ein verlockendes, ikonisches Filmbild verspricht.

Die psychologischen Hintergründe von Whitneys Suchtverhalten, das Lemmons zunächst durch den obligatorischen Feier-Champagner und bald darauf durch heimliche Dealer-Übergaben illustriert, streift der Film nur: Es scheint der Druck zu sein, den die Sängerin mit ihrem öffentlich beobachteten und kommentierten Leben und ihrem Arbeitspensum aushalten muss.

Nicht zu Ende gedacht

Und auch wenn diese Gründe symptomatisch sind, werden sie von Lemmons nicht zu Ende gedacht: Jede Andeutung eines Problems mündet in einer Videoclip-artigen Gesangsszene, in der Ackie ihre beeindruckenden stimmlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen darf. (Jedenfalls zum Teil – auch Whitneys unerreichte Originalstimme ist im Film zu hören.)

Lemmons folgt dabei stets einem ähnlichen Muster: Die lang ausgespielten Songs werden meist als Resultat einer „Listening Session“ präsentiert – während die Musikerin auf der Couch liegt, spielt ihr der Produzent Songs von anonymen Song­schrei­be­r:in­nen vor. Whitney sucht aus, erforscht, welchen Song sie am besten „fühlt“, und entscheidet sich dann für 80er-Jahre-Megahits wie „I Wanna Dance with Somebody“ oder „Didn’t We Almost Have It All“ – all das Entscheidungen, die ihr Kritik von Teilen der Schwarzen US-Bevölkerung einbrachte.

Dass sie als „Whiteney“ verballhornt wurde, erzählt der Film zwar und illustriert so das Dilemma, in dem sie sich befand: Als Schwarze Sängerin über alle Hautfarben hinweg erfolgreich zu sein, ist ein politisches Statement. Doch ist es Selbstermächtigung, cheesy Lovesongs zu interpretieren, oder ist es Anpassung an einen (damals) weiß dominierten Markt?

Simplifizierung der Songs

Ihr als Profisängerin gewiss vielschichtiges Verhältnis zur Musik stellt der Film somit simpel dar. Genau wie den anscheinend selbstverständlichen Patriotismus, den Lemmons als Kulminationspunkt inszeniert: Zu Whitneys (übrigens vorab aufgezeichneter) Interpretation des „Star Spangled Banner“ beim Superbowl 1991, während des Zweiten Golfkriegs, schneidet sie stolz mitsingende US-Amerikaner:innen.

Und dass Whitney diesen renommierten Termin im Trainingsanzug absolvierte, um „sie selbst“ zu sein, wirkt angesichts der über das Stadion hinwegdonnernden Jets mit ihren blauen, weißen und roten Kondensstreifen nicht mehr sonderlich subversiv. Schade auch, dass ihre Arbeit als Schauspielerin, unter anderem mit Kevin Costner in „Bodyguard“ mit seinem ewig angehaltenen „I Will Always Love You“ eine kurze Anekdote bleibt: Man hätte gern erfahren, wie Schauspielprofis mit der emotionalen Sängerin umgingen.

Bei Biopics steht das Ende fest und ist bekannt – trotz eines Interventionsversuchs des freundlichen und fürsorglichen Produzenten verliert sich Whitney, gebeutelt von Stress und Stimmproblemen, in ihrer Drogensucht. Der Film, der angetreten ist, um eine große, lesbische, musikalische Schwarze Geschichte zu erzählen, macht seine talentierte Protagonistin dennoch dabei nicht wirklich interessant.

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