die gesellschaftskritik
: Twitter wird Musk trotzdem nicht los

Nach einer Umfrage kündigt Elon Musk seinen Rücktritt als Twitter-Chef an

Elon Musk hat in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter geschrieben, dass er als Chef der Plattform zurücktreten werde, „sobald jemand närrisch genug ist, den Job zu übernehmen“. Danach würde er nur die Teams leiten, die sich um Software und Server kümmern.

Das ist seine Antwort auf eine Umfrage, die er selbst am 19. Dezember auf Twitter gestartet hatte und in der er öffentlich fragte, ob er als Chef von Twitter zurücktreten solle. 57,5 Prozent der über 17 Millionen Teilnehmenden antworteten mit Ja. Musk würde mit der Aufgabe seines Postens als „Head of Twitter“ nicht automatisch seine ganze Macht abgeben. Denn er ist vor allem Eigentümer des Unternehmens und hat damit weitreichenden Einfluss auf die Führung der Geschäfte. Wer nun also denkt, die digitale Öffentlichkeit sei ihn los, ist vermutlich zu optimistisch.

Obwohl Musk weiß, dass es viele Probleme bei Twitter-Umfragen gibt (nicht repräsentativ, manipulierbar), startet er immer wieder eigene – mutmaßlich um Entscheidungen, die er bereits getroffen hat, pseudodemokratisch abnicken zu lassen. So hatte er etwa schon vor seinem Twitter-Kauf im Oktober angekündigt, dass der Account des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump entsperrt würde, wenn er Twitter-Chef werde. Trumps Account war wegen Desinformation und des Verbreitens von Hass, insbesondere im Zuge des gewaltsamen Versuchs, am 6. Januar 2021 das US-Kapitol zu stürmen, gesperrt worden. Später, als er dann Twitter für 44 Milliarden Dollar gekauft hatte, ließ Musk tatsächlich darüber abstimmen. Das Ergebnis: Trump soll zurück.

Auch im Falle der Umfrage zum Rücktritt dürfte die Entscheidung von Musk schon vorher festgestanden haben. Zum einen hatte er bereits vor der Übernahme des Chef­postens gesagt, dass dies nur eine Übergangslösung sei. Erst vergangenen Montag hatte er erklärt, er gehe davon aus, dass er seine Arbeitszeit bei Twitter reduziere und die Führung abgebe. Zum anderen – so die Vermutung von vielen Be­ob­ach­te­r*in­nen – hat Musk Druck vom Elektro­autohersteller Tesla und der Satellitenfirma SpaceX bekommen. Denn auch diese Unternehmen führt Musk, und Tesla steckt seit Wochen in einer Krise, die Aktien sind stark gesunken. Manche Aktionäre von Tesla haben sich öffentlich beschwert, wie wenig Zeit Musk für den Autohersteller aufbringe – wegen Twitter.

Johannes Drosdowski