Bremer Mensen und Kantinen: Warten auf die Billigfleischbremse

Nachhaltiges Essen ist in Bremens Mensen oft noch Theorie, obwohl es seit 2018 einen Aktionsplan gibt. Das Projekt verwässert im koalitionären Streit.

Currywurst mit Pommes auf einem Teller

So eine Currywurst soll es in Bremens Mensen nur noch geben, wenn sie bio ist Foto: Rüdiger Woelk/imago

BREMEN taz | Ein bundesweiter Vorreiter wollte sie sein, die damals noch rot-grüne Bremer Landesregierung, und ließ sich dafür auch feiern: Die Gemeinschaftsverpflegung in Kliniken und Kantinen, in Schulen und Kitas soll schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bio-Produkte umgestellt werden – so steht es im Aktionsplan 2025.

Viereinhalb Jahre sind schon vergangen, seitdem diese „Billigfleischbremse“ beschlossen wurde. Doch die Umsetzung ist ein „Armutszeugnis“, wie Peter Bargfrede vom Agrarpolitischen Bündnis Bremen (ABB) kritisiert. In der rot-grün-roten Koalition gibt es deswegen seit Monaten Streit. In dieser Woche hat es eine Vorlage dazu immerhin in die wöchentliche Senatsrunde geschafft.

Beschlossen wurde ein Prüfauftrag, in dem es um den Standort für ein „Kompetenzzentrum“ geht, das die Mit­ar­bei­te­r:in­nen aller Bremer Gemeinschaftsküchen weiterbilden soll – damit sie den Aktionsplan auch umsetzen können. Sie sollen dort lernen, wie man „weitgehend kostenneutral“ und ohne Lebensmittelverschwendung möglichst regional, saisonal und frisch kocht.

Dieses Kompetenzzentrum, das nun „Forum für Küche im Wandel“ heißt, wurde früher mal „Training Kitchen“ genannt – und hatte für heftige Auseinandersetzungen zwischen der Bio-Branche und dem von den Grünen geführten Umweltressort geführt.

Chefs Culinar ist raus

Denn das Konzept dafür sollte nach dem Willen der Behörde eine Consulting-Tochterfirma von Chefs Culinar schrei­ben, einem internationalen Unternehmen aus Kiel, das mit so umstrittenen Großkonzernen wie Tönnies, Nestlé und Unilever kooperiert. Das ist vom Tisch, es gibt nun ein regionales Konsortium für die Aufgabe, sagt Bargfrede vom ABB, der einer der Kri­ti­ke­r:in­nen war. Das Bündnis hatte 2015 mit einem erfolgreichen Bürgerantrag überhaupt erst den Anstoß für den Aktionsplan gegeben.

„Ein Leuchtturmprojekt, um das uns viele in ganz Deutschland beneiden, droht jetzt von der SPD ausgebremst zu werden“, sagt Bargfrede – und meint die Bildungsbehörde, deren Senatorin mittlerweile Sascha Karolin Aulepp (SPD) ist. „Wir haben den Eindruck, dass sie das Thema einer gesunden Ernährung für Kita- und Schulkinder nicht ernst nimmt“, schreibt das ABB, das auch kritisiert, dass es seit fast zwei Jahren in Bremen – als einzigem Bundesland – keine „Vernetzungsstelle Schulverpflegung“ mehr gebe.

Schon die Einstellung einer Fachkraft, die sich darum kümmern soll, dass der Aktionsplan in Kitas und Schulen umgesetzt wird, habe über ein Jahr gedauert. Auch aus dem Umweltressort dringt viel Kritik an der SPD – äußern will man sie aber nicht. Grünen-Politiker Jan Saffe, Vorkämpfer der Billigfleischbremse, will sich indes nicht mit Diskussionen aufhalten: „Ich weiß nicht, wer schuld hat. Mich interessiert, dass es jetzt vorangeht!“

Zwar erfüllen die kommunalen Kliniken die von ihnen verlangten Quoten schon, die Kitas und Schulen aber im Schnitt erst „zu etwa 40 Prozent“, sagt Mücella Demir, Leiterin des Projekts „Bio-Stadt“ im Umweltressort, dem Weser-Kurier. Belastbare Zahlen zu der Frage, wo wie viel bio gekocht wird, gibt es aber weder für Schulen noch für Kitas.

Unzureichende Kontrolle

„Die Kontrolle ist unzureichend“, sagt Mücella Demir. „Die Umsetzung des Aktionsplans ist in den einzelnen Einrichtungen sehr unterschiedlich“, gibt die Bildungsbehörde zu – und was die neue Planstelle betrifft: Trotz „mehrfacher Ausschreibungen“ habe sie niemanden gefunden. Immerhin würde auch das Bildungsressort deren Verstetigung „deutlich befürworten“. Im Übrigen verweist die Behörde auf die Folgen der Coronapandemie und die steigenden Betriebs- und Personalkosten. „Einige Ziele sind mittlerweile noch schwieriger umsetzbar“, verteidigt sich das Bildungsressort.

Denn der Aktionsplan steht unter dem Vorbehalt der „Aufwendungsneutralität“: Alles soll bio sein und möglichst aus der Region kommen, aber nicht mehr kosten, schon gar nicht für die Eltern. „Das ist nicht nur aufgrund stark gestiegener Lebensmittelpreise nicht zu leisten“, sagt Bargfrede vom ABB, der auch im Projektbeirat sitzt. Dort habe sich diese Erkenntnis schon durchgesetzt, im Senat aber wohl nicht, zumindest rückt der Senatsbeschluss davon noch nicht ab.

Vorerst geht es um die Frage, ob das neue Kompetenzzentrum nun in die Volkshochschule oder die ehemalige Kantine des Finanzsenators einzieht. Die Umbaukosten dort, zunächst mit 500.000 Euro veranschlagt, werden mittlerweile mit fast 1,3 Millionen Euro beziffert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.