Rückgabe von Beutekunst: Auf dem Weg zur Aussöhnung

Außenministerin Baerbock hat die ersten Beute-Bronzen an Nigeria zurückgegeben. Für das westafrikanische Land ist das ein bedeutender Schritt.

Annalena Baerbock und Geoffrey Onyeama

Außenministerin Annalena Baerbock und ihr nigerianischer Kollege Geoffrey Onyeama in Abuja Foto: Florian Gaertner/imago

CONTONOU taz | Es ist ein feierlicher Moment in der Hauptstadt Abuja gewesen. Am Dienstagmittag hat Außenministerin Annalena Baerbock während ihrer ersten Nigeriareise die ersten 20 Beute-Bronzen aus dem einstigen Königreich Benin dem nigerianischen Staat zurückgegeben. Sie seine nun dort, wo sie hingehören. Es sei ein Fehler gewesen, die Bronzen zu stehlen und zu behalten, so Baerbock. Die Rückgabe war mit Spannung erwartet worden.

Abba Isa Tijani, Direktor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente (NCMM), bezeichnet sie im Gespräch mit der taz als „großen Moment für uns in Nigeria“. Schon die vergangenen Tage seien von „Aufregung und Glück“ geprägt gewesen. „Nach so vielen Jahren wird die Rückgabe Realität, und Deutschland nimmt eine führende Rolle in der Restitution ein.“

Was all das so besonders macht, ist die Verbindung mit Baerbocks Besuch der Hauptstadt Abuja. Nigerias Botschafter in Berlin, Yusuf Tuggar, unterzeichnete zwar in der vergangenen Woche mit mehreren Museen in Deutschland ein Abkommen zur Rückgabe. Auch Tijani nahm im vergangenen Jahr im Jesus College der Universität Cambridge in England den Bronze-Hahn „Okukor“ entgegen, der ab 1905 im College ausgestellt war. Der Baerbock-Besuch zeige nun aber, dass den Ankündigungen auch Taten folgen. Das sollten sich andere Länder zum Vorbild nehmen, sagt der NCMM-Direktor.

Gezeigt werden die Artefakte langfristig in dem neu geplanten Edo Museum für westafrikanische Kunst (EMOWAA), das der ghanaisch-britische Architekt David Adjaye entworfen hat. Es heißt, dass sich auch Deutschland finanziell an dem Bau beteiligt. Die ersten Entwürfe des Gebäudes lassen ein ambitioniertes Projekt erahnen. Das Museum entsteht neben dem Palast des Oba, der der traditionelle Herrscher von Benin City ist. Aus dem Palast wurden die Bronzen 1897 geraubt und später auch nach Deutschland verkauft. Ziel ist es aber, nicht nur Ausstellungsräume zu errichten, sondern auch ein Forschungs- und Kunstzentrum aufzubauen. Mitte des Jahres betonte Godwin Obaseki, Gouverneur von Edo, dass die Verantwortung bei Ni­ge­ria­ne­r:in­nen liegen müsse. „Dinge über uns dürfen uns nicht von Europa erklärt werden.“ Wann das Museum seine Türen öffnet, ist noch unklar.

4.600 Aus­stel­lungs­be­su­che­r:in­nen in Nigeria täglich

Ein möglicherweise fehlendes Museum hatte in Europa lange für Kritik und Skepsis gesorgt. Mitunter wird Nigeria unterstellt, sich nicht ausreichend um die Artefakte zu kümmern. Vergessen wird jedoch, dass Benin City bereits ein modernisiertes Museum vorweist, in dem einige Bronzen zu sehen sind, die britischen Kolonialtruppen und Handelsreisende damals nicht raubten. Dort können sie vorerst Platz finden. „Für 2023 ist zudem eine Sonderausstellung mit den restituierten Artefakten geplant“, so Tijani. Sie soll ähnlich wie die in Cotonou, Wirtschaftsmetropole im Nachbarland Benin, konzipiert werden. Das erhielt im November 2021 insgesamt 26 Werke aus den Königspalästen von Abomey von Frankreich zurück, die französische Kolonialtruppen Ende des 19. Jahrhunderts geraubt hatten. Gleich zweimal wurden die Zepter, Königsthrone und Statuen gemeinsam mit Werken zeitgenössischer Künst­le­r:in­nen auf dem Gelände des Präsidentenpalasts ausgestellt. Täglich kamen durchschnittlich 4.600 Besucher:innen, ein riesiger Erfolg. Für Nigeria ist diese Ausstellung nun Vorbild.

In Benin City freut sich Doris Ogbeifun über die Rückgabe. „Die Bronzen haben einen riesigen kulturellen Wert, nicht nur für Benin City, sondern für ganz Nigeria“, ist sich die Einwohnerin der Provinzhauptstadt sicher. Die Fläche des einstigen Königreichs macht zwar nur einen kleinen Teil des heutigen Staats Nigeria aus. Etwa im Nordosten oder Nordwesten sind Geschichte und Traditionen ganz anders, es gab andere bedeutende Reiche wie das riesige Sokoto-Kalifat.

Trotzdem wird die Rückgabe als späte Gerechtigkeit für das, was während der Kolonialherrschaft geschah, gesehen. Das schaffe einen Weg zur Aussöhnung. Für Doris Ogbeifun aber ist etwas anderes noch bedeutender: Endlich steht Nigeria einmal nicht im üblicherweise schlechten Licht da. Bis vor einigen Jahren die Debatte über die unschätzbar wertvollen Bronzen einen Platz in der breiteren Öffentlichkeit in Europa fand, war Nigeria Synonym für Umweltverschmutzung im ölreichen Nigerdelta, die Terrorgruppe Boko Haram, die Tausende Mädchen und Frauen entführte, sowie Internetkriminalität. Benin City galt zudem als Drehscheibe des nigerianischen Menschenhandels. Es sei gut, dass die Stadt endlich mit etwas anderem in Verbindung gebracht werde, so Ogbeifun.

Auch in anderen Landesteilen ist die Restitution verfolgt worden. In Kaduna, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats im Norden, sagt der Journalist und politische Beobachter Yanwaidi Emma Zwahu: „Die Bronzen sind Teil von Nigerias Erbe, und eine Reihe von Personen haben sich sehr für die Rückgabe eingesetzt. Ich bezweifle aber, dass sie Alltagsgespräch sind.“

Millionen Menschen hätten andere Sorgen. Nach Angaben des Nationalen Statistikbüros (NBS) leben mittlerweile 133 der 220 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen unterhalb der Armutsgrenze. Vor allem die anhaltende Gewalt mache den Menschen zu schaffen. Auch sie war Thema von Baerbocks Reise, die am Montag im Bundesstaat Borno ein Rehabilitationszentrum für ehemalige Kämp­fe­r:in­nen und Sym­pa­thi­san­t:in­nen der Terrorgruppe Boko Haram besucht hatte. Die Zahl der Terrorangriffe ist zwar zurückgegangen. Gewalt geht jedoch auch von bewaffneten Banden aus, die mitunter täglich Menschen entführen, um Lösegeld zu erpressen.

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