„Coral World“ in Lichtenberg: Kein Bock auf noch ein Aquarium

Nachdem der Aquadom geplatzt ist, gerät auch das Großaquarium an der Rummelsburger Bucht in den Fokus der Kritik.

Zwei Fische liegen in einer weißen Schale

Wenig motiviert, an die Rummelsburger Bucht zu ziehen: Zwei Fische aus dem geborstenen Aquadom Foto: dpa

Über tausend verendete Fische, zwei verletzte Menschen, eine Million Liter ausgelaufenes Wasser und ein noch nicht zu beziffernder Sachschaden in mehrstelliger Millionenhöhe – die Folgen des am Freitagmorgen geborstenen Großaquariums Aquadom sind katastrophal. Das Unglück nährt die Kritik an einem weiteren Großaquarium, das bald in Berlin eröffnet werden soll – das Coral World in Lichtenberg.

„Es kann nicht sein, dass Gäste und Tiere aufgrund von Sensationslust in Gefahr gebracht werden“, kritisiert Linke-Abgeordnete Hendrikje Klein am Dienstag die Pläne gegenüber der taz. Sie fordert vom Investor und Bezirk ein Sicherheitskonzept für Fische und Gäste, mit dem Katastrophen wie beim Aquadom verhindert werden können.

Besonders kritisch sieht Klein, dass es sich bei dem Aquarium um eine reine Touristenattraktion handelt, mit der der Investor Gewinn machen will – spektakuläre Installationen, wie die Aqua-Tunnel in Coral Worlds anderen Standorten wie auf Mallorca, gehörten ihrer Ansicht nach daher auf den Prüfstand.

Laut einem Bericht des Tagesspiegels kündigte Coral World am Montagabend gegenüber dem Bezirk Lichtenberg an, die Pläne für das Aquarium noch einmal überprüfen zu wollen.

Umstrittenes Aquarium

„Die Baugenehmigung haben wir gegeben und kann nicht zurückgezogen werden. Aber die konkrete Genehmigung für die Tiere steht noch aus.“ sagt Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke auf taz-Anfrage. Über die Details und ob die Planung noch angepasst werden könne, will Hönicke am vorraussichtlich am Freitag mit dem Investor besprechen.

Der Investor Benjamin Khan plant an der Rummelsburger Bucht ein Großaquarium mitsamt Hotel zu bauen. Das Projekt ist schon seit dem Bekanntwerden der Pläne 2017 hoch umstritten. Kritisiert wurde vor allem, dass die Verwertung der vormals landeseigenen Grundstücke durch einen Investor kaum Mehrwert für die Nachbarschaft bringe. Eine Bürgerinitiative, mehrere Großdemonstrationen, Klagen und Petitionen mit mehreren Tausend Unterschriften konnten das Aquarium nicht verhindern. Mittlerweile wurden bereits die Bodenarbeiten begonnen; eine Fertigstellung ist 2025 geplant.

Warum der Aquadom, das als größtes zylindrisches Aquarium der Welt galt, am Freitagmorgen in der Lobby des Radisson Blue Hotels in Mitte zerbarst, ist weiterhin unklar. Mittlerweile sucht ein amerikanisches Spezialunternehmen nach den Ursachen.

Von den über 1.500 Fischen des Aquadoms überlebten nur ein paar Dutzend, die von der Feuerwehr aus Pfützen gerettet werden konnten. Die überlebenden Fische wurden in den Zoo und das benachbarte Aquarium Sea Life gebracht.

Artgerechte Haltung nicht möglich

Anlässlich des Unglücks fordert die Tierschutzpartei, den Bau eines weiteren Aquariums zu verhindern: „Die Ursache ist zwar noch unklar, aber wir sehen an diesem schlimmen Ereignis, dass Menschen sich immer irren können“, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Presseerklärung der Partei. „Ein neues Aquarium darf auf keinen Fall gebaut werden.“

Bereits im Januar wurde ein gemeinsamer Antrag der Tierschutzpartei mit der Linksfraktion mit dem Titel „Keine Tierquälerei in Lichtenberg“ in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg beschlossen. Darin forderte die BVV das Bezirksamt auf, Coral World die Haltung von exotischen Meerestieren nicht zu genehmigen und auf eine artgerechte Form der Haltung zu bestehen.

Auch die Tierschutzorganisation Peta lehnt Großaquarien wie Coral World oder Aquadom grundsätzlich ab. „Aquarien sind Gefängnisse und – wie wir vergangene Woche gesehen haben – tödliche Fallen“, sagt die promovierte Meeresbiologin und Peta-Aktivistin Tanja Breining.

Egal wie groß die Bemühungen sind, eine „artgerechte“ Umgebung in den Aquarien nachzubauen, bleibe es im Vergleich zum Ozean ein „kahler und einfältiger Lebensraum“. Strömungen, Licht, Kommunikation mit Artgenossen und komplexe Symbiosen mit anderen Arten – all das ließe sich auch in dem besten Aquarium nicht nachbilden.

Lieber virtuelles Aquarium

Auch das Argument, Großaquarien würden durch Nachzucht zum Artenschutz beitragen weist Breining entschieden zurück: „Über 90 Prozent der Meeresfische in Aquarien stammen aus dem Meer und lassen sich nicht nachzüchten“, sagt sie. Die Fische würden in der Wildnis gefangen, ein Großteil würde schon beim Transport verenden.

Sowohl der Bezirk als auch Investor bewerben Coral World als Bildungsort für Meeresbiologie und Ökologie. Doch Breining hält auch dieses Argument für vorgeschoben: „Für Wissensvermittlung müssen keine lebenden Tiere eingesperrt werden.“ Stattdessen schlägt die Peta-Aktivistin ein virtuelles Aquarium mit Videoprojektionen vor. Peta selbst will sich für eine Gedenkstele einsetzen, die an die verendeten Fische erinnern soll.

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