Gasbohrung in Niedersachsen geplant: Fossile Energie kommt zurück

Im Heidekreis will Vermilion Energy Germany mögliche Gasvorkommen erkunden. Ein Aktionsbündnis warnt vor umweltschädlichem Fracking.

Ein Bohrkopf, im Hintergrund ein Bohrturm

Das braucht es für eine Erkundungsbohrung: im Vordergrund ein Bohrkopf, im Hintergrund ein Bohrturm Foto: Christian Ditsch/imago

OSNABRÜCK taz | Mahnwachen sind eine Herausforderung. Oft auch für diejenigen, die sie abhalten. Das „Aktionsbündnis Gasbohren“ aus Bad Fallingbostel kennt das gut. Letzten Mittwoch stand es mit einem „Nein!“-Banner vor dem Kreishaus des niedersächsischen Landkreises Heidekreis, bei klirrender Kälte.

Drinnen ging es um etwas, das gegen Kälte hilft: Erdgas. Eigentlich will der Heidekreis zwar schon 2035 klimaneutral sein. Und die Resolution des Kreistages, die Erkundung und Förderung von Gas- und Ölvorkommen abzulehnen, ist noch nicht lange her. Aber die Angst vor leeren Speichern führt zu energiepolitischen Backlashs.

In der Wärme des Kreishauses saß das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) aus Hannover mit Vermilion Energy Germany zusammen, mit BürgermeisterInnen, Land- und KreisrätInnen. Zwei neue Bohrungen soll es geben, auch bei Kroge, an der Jahrzehnte alten Bohrstelle Wisselhorst Z1a. Es geht um Vorkommen in bis zu 4.500 m Tiefe. Derzeit läuft die Umweltverträglichkeits-Vorprüfung.

Die Förderung „möglicher Gasfunde“ würde nicht vor Ende 2024 geschehen, teilt der Heidekreis anschließend mit. Vermilion rechne damit, bis zu 160.000 Haushalte versorgen zu können. Auf die größte Sorge des Aktionsbündnisses geht der Landkreis nur am Rande ein: Fracking, heißt es, sei „weder geplant noch beantragt“.

Angst vorm Einknicken

Fracking belastet die Umwelt besonders massiv. Um das Gestein in der Lagerstätte aufzubrechen, wird unter hohem Druck Wasser in den Boden gepresst, versetzt mit Chemikalien. Erdbeben können entstehen. Das Wasser, das aus der Tiefe wieder an die Oberfläche gelangt, kann Schwermetalle enthalten und radioaktive Stoffe. Der Heidekreis erwähnt nach dem Mittwochsgespräch nur das Wasser – vom Rest der Gefahren kein Wort.

Immerhin: Der Koalitionsvertrag der neuen rot-grünen Landesregierung schließt Fracking für Niedersachsen aus: Es werde „abgelehnt und muss verboten bleiben“. Aber die Angst, dass der Beschluss aufgeweicht werden könnte, ist im Heidekreis groß. Schließlich gab es Fracking in Niedersachsen schon, 50 Jahre lang, 350 mal, bis 2011.

Für das Aktionsbündnis ist klar: Es will keine neuen Gasbohrungen. Es gehe, sagt sein Sprecher Hans-Heinrich von Hofe, „um unsere Gesundheit, um unsere Umwelt und den Klimawandel“. Er fürchtet, dass jetzt plötzlich alle einlenken könnten: „Wenn man jetzt schon bei den Genehmigungen für neue Bohrungen einknickt, kann auch Fracking plötzlich wieder ein Thema sein.“ Es gebe „eine Menge Ungereimtheiten“, sagt von Hofe der taz. „Förderung geht da doch nur mit Fracking, sonst kommt da gar nicht genug hoch!“

Ellen Gause, Sprecherin der Grünen in Walsrode, denkt ähnlich. „Vor nicht allzu langer Zeit haben wir uns parteiübergreifend in den Kommunen und im Kreistag des Heidekreises gegen das Fördern von Erdgas ausgesprochen“, sagt sie der taz, „weil es eine erhebliche Gefahr für unser Grundwasser darstellt und eine unnötige Belastung für die angrenzenden Ökosysteme und damit für die Bürger“. An diesen Tatsachen habe sich nichts geändert.

Hans-Heinrich von Hofe, Aktionsbündnis Gasbohren

„Förderung geht da doch nur mit Fracking, sonst kommt da gar nicht genug hoch“

Vermilion habe allerdings durch den Ukrainekrieg „in den Augen vieler Menschen jetzt bessere Argumente“. Aber Gause will nicht zulassen, dass „in dieser dichtbesiedelten Gegend unnötiger Schaden angerichtet und gleichzeitig wieder in die falsche Richtung investiert“ wird. Außerdem löse das Heidekreis-Gas die aktuellen Energieprobleme nicht: „Bis das Gas fließt, vergehen Jahre.“

Dass die Kreisverwaltung im Anschluss an das Gespräch im Kreishaus mitteilt, sie „begrüße“ die Absicht von Vermilion, die Öffentlichkeit Anfang 2023 über die geplanten Bohrungen „zu informieren“, macht Gause skeptisch: „Es ist bedenklich, dass man Vermilion die Information überlässt und keine unabhängige Expertise einholt.“

Derweil wird aus den Erdgasfeldern im Heidekreis weitergefördert. 2021 waren es knapp 234 Millionen Kubikmeter Rohgas. 5,4 Milliarden waren es in ganz Niedersachsen, so das LBEG. Aber der Widerstand gegen das fossile Denken ist groß. Eine Online-Petition des Aktionsbündnisses kam auf 16.000 Unterschriften.

Die Verantwortung, der Erderwärmung entschlossen entgegenzutreten erfordere es, „möglichst umgehend aus fossilen Energieträgern auszusteigen“, sagt Heidekreis-Landrat Jens Grote (parteilos) der taz. Aber es gelte, Versorgungssicherheit zu schaffen. Diese gewährleiste „auch unseren Wohlstand, der wiederum Grundlage für ein Gelingen der Energiewende ist“. Die Förderung von Gas sei deshalb vorübergehend noch erforderlich. Es solle versucht werden, aus der Not eine Tugend zu machen und Bohrlöcher im Anschluss an die Gasförderung für Geothermieprojekte zu nutzen.

Vermilion, von der taz um Kommentierung gebeten, zu Fördermengen, zum Fracking, schweigt.

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