Betroffenen-Sprecher über Bischof Bode: „Er klammert sich an sein Amt“

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode steht in der Missbrauchsdebatte unter Druck. Der Betroffenenrat um Norbert Thewes hat ihn angezeigt.

Der Bischof von Osnabrück, Franz-Josef Bode, spricht während einer Messe in der Erzbasilika San Giovanni in Laterano.

Hat nun auch mit einer Anzeige zu tun: Franz-Josef Bode, hier am 18.11.2022 bei einer Messe in Rom Foto: dpa | Johannes Neudecker

taz: Herr Thewes, 2010 hat sich Bischof Bode auf den Boden des Osnabrücker Doms gelegt; er erkenne seine Schuld an. Im Amt blieb er dennoch. Schon das war ein Fehler, oder?

Norbert Thewes: Die Geste war einmalig. Aber die Taten danach haben gefehlt.

Auch nach dem 2022 erschienenen Zwischenbericht „Pflichtverletzungen der Bistumsleitung“ des Forschungsprojekts der Universität Osnabrück hat Bode sich an seinen Stuhl geklammert. Warum?

Bischof Bode hat seit 2021 im Bistum wichtige Schritte auf den Weg gebracht. Es gibt jetzt ein Monitoring und die Arbeitsgruppe „Betroffene hören und begleiten“. Das ist, auch im Vergleich zu den Nachbar-Bistümern, schon etwas Besonderes. Wenn Betroffene sexualisierter Gewalt sich an das Bistum wenden, werden sie an unabhängige, therapeutisch geschulte Ansprechpersonen weiterverwiesen. Aber es stimmt: Er klammert sich an sein Amt. Und klar ist: Er steht einer Täter-Organisation vor.

Der Betroffenenrat der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück hat eine kirchenrechtliche Anzeige gegen Bischof Bode gestellt. Ist jetzt der Vatikan am Zug?

Genau. Wir haben die Anzeige an den Erzbischof von Hamburg geschickt, zur Weiterleitung an die Rechtsabteilung des Vatikans.

Welchen Effekt erwarten Sie?

Dass Bode, wenn es eine Entscheidung aus Rom gibt, sich ihr beugt. Und wir erwarten, dass ein Umdenken bei ihm einsetzt, weg von der Täter-, hin zur Betroffenen-Orientierung. Wir sind der erste Betroffenenrat, der je eine Anzeige gegen einen Bischof in Deutschland gestellt hat. Wir hoffen, dass der Schritt Betroffenen Mut macht, sich an Betroffenenräte zu wenden.

Ein Fall aus Ostercappeln bei Osnabrück zeigt, wie Bode denkt. Dort hat ein Priester jahrelang ein Mädchen missbraucht. Was hat Bode dazu gesagt? „Beziehung“?

64, ist Betroffener sexualisierter Gewalt durch einen Priester in Wolfsburg. Er ist Sprecher des Betroffenenrats der Bistümer Osnabrück und Hildesheim sowie des Erzbistums Hamburg.

Der Sprachgebrauch des Bistums war „Liebesbeziehung“. Bode selbst hat gesagt, es habe sich um eine „Beziehung“ gehandelt.

Vorletzten Sonntag musste er dazu in der Gemeinde Rede und Antwort stehen.

Da wurde er gefragt, wie er das so bezeichnen könne. Bode hat gesagt, er gehe davon aus, dass es sich um eine Volljährige handle. Aber das Mädchen war 14, als der Missbrauch begann. Bode verkennt, dass es da keine Augenhöhe gab, keine Selbstbestimmung, nur ein Machtgefälle. In den Augen der Kirche sind Priester Stellvertreter Christi. Sie haben also eine moralische Verantwortung. Wenn von „Beziehung“ gesprochen wird, hat das Opfer am Ende das Gefühl: Was da passiert ist, war vom Täter her richtig. Wenn etwas nicht richtig war, bin ich dafür selbst verantwortlich. Aber das ist falsch. Es gibt keine „Beziehung“ zwischen einem Täter und einem Opfer.

Hat sich das Opfer von Ostercappeln vom Bistum ernst genommen gefühlt?

Nein. Seit 1995 hat die junge Frau Kontakt zum Bistum gesucht, um ihren Missbrauch anzuzeigen. Das wurde stets bagatellisiert.

Eine doppelte Traumatisierung?

Absolut. Mich erinnert das an meine eigene Missbrauchs­erfahrung im Bistum Hildesheim. Als ich meinen Missbrauch angezeigt habe, 2012, schrieb man mir, man habe alle Täter im Blick. Der Priester, der mich missbraucht hatte, sei nicht unter den Tätern. Und ich sei nicht unter den Opfern. Das war eine Retraumatisierung. Das hat mich in eine tiefe persönliche Krise gestürzt, mit vielen Krankheiten.

Sie haben Bode bereits aufgefordert, „fernab rein strafrechtlicher Maßstäbe“ Verantwortung zu übernehmen und sagen: „Das Strafrecht kann nicht Maßstab eines Bischofs sein.“ Steht ein Bischof über dem Gesetz?

Natürlich nicht! Aber es gibt hier ja leider keine strafrechtliche Handhabe mehr, das sind ja verjährte Taten. Was wir damit meinen, ist: Es gibt neben dem strafrechtlichen auch eine moralische Komponente. Die wird, wenn Bischöfe so handeln wie Bode, völlig ausgehebelt.

Haben Sie vor Ihrer Anzeige mit Bode gesprochen?

Als der Zwischenbericht veröffentlicht wurde, hatten wir in einer Videokonferenz Kontakt zu ihm. Wir haben ihm dabei klargemacht: Wir wollen mit ins Boot! Danach brach der Kontakt ab. Ich kenne viele Betroffene aus dem Bistum Osnabrück, die sich beklagt haben, mit Bischof Bode komme kein Kontakt zustande.

Bode hat stets das Bild zu erzeugen versucht, er sei ein moderner Reformbischof. Das hat tiefe Risse bekommen, oder?

Ja. Nach außen hat er 2010 eine große Geste gemacht. Aber er negiert durch seine Äußerungen, dass es sich um Gewalttaten handelt, um Verbrechen, wenn er Worte wie „Beziehung“ benutzt. Das sind eine Beschönigung und zeigen seine klare Täterorientierung.

Bode sagt, der Reformprozess in Osnabrück wäre gefährdet, träte er zurück. Ist da was dran?

Das ist vorgeschoben. Ins Stocken geraten würde der Prozess nicht. Er hängt ja nicht nur an Bode selbst.

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