Michael Blume gegen Twitter: Auf dem Experimentierfeld

Es ist richtig Twitter zur Löschung von Verleumdungen zu verpflichten. Aufgepasst werden muss nur, dass nicht auch zulässige Tweets gelöscht werden.

Portrait von Michael Blume

Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg Foto: Stefan Puchner/dpa

Der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume ist mutig. Sich gegen den Vorwurf der Pädophilie zu wehren, kann auch nach hinten losgehen. Vielleicht bleibt in der öffentlichen Erinnerung doch etwas hängen. Aber es ist wichtig, dass sich mutige Menschen gegen solche Rufmordkampagnen stellen, um zu zeigen, dass und wie man sie politisch und persönlich überleben kann.

Und natürlich ist es auch wichtig, dass es Gerichte gibt, die in einer derartigen Bedrängnis schnell und entschieden helfen, so wie jetzt das Landgericht Frankfurt am Main, das den Kurznachrichtendienst Twitter verpflichtete, solche rechtswidrigen Tweets nicht mehr zu verbreiten. Auch die Frankfurter Rich­te­r:in­nen haben mit ihrer eindeutigen Entscheidung der politischen Kultur einen großen Dienst erwiesen. Es ist zu hoffen, dass die Entscheidung in höheren Instanzen bestätigt wird.

Eigentlich sollte auch Twitter bei solchen Hetzkampagnen die Betroffenen schützen. Doch damit ist insbesondere seit der Übernahme durch Elon Musk kaum zu rechnen. Also müssen Gerichte in Europa nachhelfen. Immerhin ist Twitter leichter zu fassen als Trolle, die oft anonym oder aus dem Ausland hetzen. Und wenn erst einmal ein Lügen-Shitstorm losgebrochen ist, dann hilft ohnehin nur noch der Zugriff auf die Plattform.

Spannend wird sein, wie Twitter die Auflage umsetzt, auch „kerngleiche“ Aussagen zu entfernen – wenn es also statt „Nähe zur Pädophilie“ beim nächsten Mal „Hang zum Kinderficken“ heißt. Denn natürlich besteht dann die Gefahr, dass auch zulässige Aussagen aussortiert werden, noch mehr als dies bei automatisierten Uploadfiltern ohnehin der Fall ist.

Es kommt also sehr auf die Ausgestaltung des Verfahrens an. Auch die Ur­he­be­r:in­nen umstrittener Behauptungen müssen erfahren, dass ihre Aussagen auf dem Index landen sollen und sie sich wehren können. Teilweise ist das gesetzlich bereits vorgesehen, gilt aber noch nicht. Das Blume-Verfahren zeigt, dass wir uns noch auf dem Experimentierfeld bewegen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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