Tierversuche an Makaken-Affen in Bremen: Ein weiteres Jahr erlaubt

Der Bremer Senat verlängert die Tierversuche an Makaken-Affen – aber das ist möglicherweise das letzte Mal, weil sich die Rechtslage geändert hat.

Ein Makake klammert sich in einem Käfig an einen Ast.

„Material“ für Experimente in der Gehirnforschung: ein Makake im Käfig Foto: Universität Bremen

BREMEN taz | Ende November läuft die Genehmigung für die seit 24 Jahren umstrittenen Tierexperimente mit Makaken-Affen an der Bremer Universität aus, aber kurz vor Schluss wird der Bremer Senat die Genehmigung noch einmal für ein Jahr verlängern. Zwar sind der Senat und insbesondere die federführende Gesundheitssenatorin gegen die Fortsetzung der Versuche – sie sind aber durch einen Gerichtsbeschluss gezwungen, einen positiven Bescheid zu geben. Es spricht jedoch einiges dafür, dass es das letzte Mal gewesen sein wird.

Das hat mit der Gesetzeslage zu tun: Derzeit laufen die Versuche noch unter dem alten Tierschutzrecht. Doch ob der Leiter der Affenversuche, der Neurobiologe Andreas Kreiter, bei einem neuen Antrag im Jahre 2023 noch einmal eine Tierversuchs-Genehmigung für fünf Jahre erhält, ist offen. Denn dann gilt ein neues, nach Vorgaben der EU novelliertes Tierschutzrecht.

Nach der alten Rechtslage musste ein Wissenschaftler die Notwendigkeit der Tierversuche begründen. Die Genehmigungsbehörde darf nur die „Plausibilität“ des Antrages prüfen – alles andere unterliegt der Wissenschaftsfreiheit.

Nach dem neuen Recht, muss die Genehmigungsbehörde mit eigenem wissenschaftlichen Sachverstand die Anträge prüfen. Das Bremer Verwaltungsgericht hat im Frühjahr 2022, als es um die Verlängerung bis November 2022 ging, die alte und die neue Rechtslage erörtert und damit wichtige Hinweise auf die neue Rechtslage gegeben.

Verlängerung auf alter Rechtsgrundlage

Der Antrag von 2018 war auf drei Jahre begrenzt gewesen. 2021 hatte Kreiter seinen Verlängerungsantrag schlicht damit begründet, dass wegen der durch die COVID-19-Pandemie eingetretenen Beschränkungen die Versuche nicht innerhalb des vorgesehenen Zeitplans hätten umgesetzt werden können.

Dieses hat das Gericht nicht weiter erörtert, sondern sich mit dem Tierschutz-Recht auseinandergesetzt. Mit dem Ergebnis, dass auch für die Verlängerung 2021 die alte Rechtslage des Antrags von 2018 gelte. Auch eine zweite Verlängerung bis Ende 2023 ist somit möglich und wurde von Kreiter beantragt. Nach wie vor gilt, dass der Forscher darlegen muss, dass die Tierversuche „unerlässlich“ für das formulierte Ziel sind und dass keine „Alternativmethoden“ dafür existieren.

Zum Thema der „Alternativmethoden“ hatte die Gesundheitsbehörde darauf verwiesen, dass die Bremer Universität an einer Neurosprachprothese arbeitet. Sie kann Worte, die Patienten denken oder sich vorstellen, hörbar machen. Das Forschungsprojekt kommt ohne Tierversuche aus.

Wieso sich daraus Alternativmethoden für Kreiters Forschungsziele ergeben sollten, habe die Genehmigungsbehörde aber nicht erläutert, meinte das Gericht und formulierte eine deutliche Kritik an der Gesundheitsbehörde: „Weshalb die Antragsgegnerin, die das Vorhaben des Antragstellers grundsätzlich in Frage stellt, von der Möglichkeit abgesehen hat, sich externem Sachverstandes zu bedienen, erschließt sich der Kammer nicht.“ Dabei geht es in Kreiters Antrag zur Genehmigung der Makaken-Versuche ausschließlich um Grundlagenforschung.

Das Gericht stellte klar, dass für den Antrag von Kreiter ein „konkreter Anwendungsnutzen“ nicht nachgewiesen werden müsse, es gehe um Grundlagenforschung und die sei „durch ihre Offenheit nicht minder wichtig als konkrete klinische Anwendungsforschung“. Kreiter hatte das einmal schlicht so formuliert: „Ich erforsche, wie das Gehirn funktioniert – natürlich ist das wichtig.“

Wichtige Erkenntnisse oder nicht?

Auch der Hinweis der Genehmigungsbehörde, die Forschungsergebnisse Kreiters blieben auch nach mehr als 20 Jahren „auf der Ebene der Systemkenntnisse“, reicht für die Kammer nicht, um die Genehmigung zu verweigern. Denn Kreiter habe vorgetragen, mit seinen Experimenten habe „der erstmalige, kausale Nachweis erbracht werden können, dass die Selektion verhaltensrelevanter Information auf die Phasenbeziehung synchroner Oszillationen dynamisch interagierender Neuronenpopulationen zurückgeführt werden“ könne.

Das betrifft die Grundsatzfrage der Gehirnforschung, wie das Gehirn verschiedene neuronale Erregungen etwa durch optische, akustische und emotionale Signale zu einer Wahrnehmung zusammenbindet. Dazu einen relevanten Beitrag zu leisten kann durchaus Tierexperimente rechtfertigen.

Kreiters Vortrag konnte die Genehmigungsbehörde offenbar nichts entgegensetzen. Nun hat der Neurobiologe Wolf Singer vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt bereits in den 1980er-Jahren bei Katzen diese synchrone Oszillationen gemessen. Und Stefanie Liebe hat 2012 ihre Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen zu dem Thema gemacht.

Ob der „erstmalige kausale Nachweis“, den Kreiter für sich beansprucht, wirklich durch seine Forschungen erbracht wurde und ob dafür Tierexperimente ethisch gerechtfertigt sind, das müsste das Gericht dann in einem Verfahren 2023 klären – es sei denn, die Gesundheitsbehörde verzichtet wieder darauf, ihren Einspruch mit wissenschaftlichen Gutachten zu untermauern.

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