Chefinsache

Seit Juni liegt eine neue Zeitschrift am Kiosk: „Existenzielle“, das erste Wirtschaftsmagazin für selbstständige Frauen. Brauchen wir so was?

VON MICHAEL AUST

„Bei dieser Arbeit bekommt man ein sicheres Gefühl für das Schöne“, sagt Elisabeth Schönwiese. Denn: „Gebäudereinigung beschäftigt sich mit Schmutz, der sich auf Materialien befindet, die eigentlich sehr schön sind.“ Das Interview mit der Unternehmerin steht in der Startausgabe des neuen Wirtschaftsmagazins „Existenzielle“. Im selben Heft berichten eine Modemacherin, eine Bauingenieurin und eine Malermeisterin über ihre Selbstständigkeit. Frauen, die kleine und mittelständische Unternehmen führen – trägt das als Thema einer Zeitschrift?

Es trägt, glaubt zumindest „Existenzielle“-Gründerin Andrea Blome, 39. Als Zielgruppe des 70 Seiten starken Hefts, das vierteljährlich in einer Auflage von 30.000 zum Preis von 4.50 Euro erscheinen soll, hat sie Unternehmerinnen und Existenzgründerinnen ausgemacht. Zwar sind die meisten Chefsessel der Republik mit Männern besetzt – laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland 3,7 Millionen Unternehmer –, aber die Zahl der selbstständigen Frauen steigt. Momentan beträgt sie rund eine Million.

Doch auf dem journalistischen Markt seien Reportagen und Porträts über selbstständige Frauen Mangelware, fand Andrea Blome. Um das zu ändern, gründete sie im Jahr 2000 im Münster die „Existenzielle“. „Die Idee kam von der Regionalstelle Frauen und Beruf, einer kommunalen Anlaufstelle im Münsterland. Die stellte damals fest, dass der Bedarf nach Vernetzung und die Suche nach Vorbildern unter Gründerinnen groß ist. Alle zwei Jahre eine Unternehmerinnenmesse zu machen reicht nicht.“ Als Knoten im Netz sollte die „Existenzielle“ über Veranstaltungen, Neuerscheinungen und Wettbewerbe informieren. Was als regionales Gratismagazin begann, entwickelte sich schnell weiter. Im März 2003 wurde das Magazin von der Europäischen Kommission als „Beispiel guter Praxis in der Förderung von Existenzgründungen“ geehrt. Im Juni 2005 dann der Sprung in die Kioske. „Ein Experiment“, sagt Blome.

Dass die „Existenzielle“ tatsächlich eine Marktlücke füllen könnte, legt eine unveröffentlichte Studie von Friederike Welter und Leona Achtenhagen nahe. Die beiden Wissenschaftlerinnen vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung und der Jönköping Business School (Schweden) haben neun deutsche Tageszeitungen daraufhin untersucht, wie dort in den vergangenen acht Jahren über Unternehmerinnen berichtet wurde. Ernüchterndes Resultat: Wenn überhaupt, tauchen selbstständige Frauen meist nur auf den Gesellschaftsseiten auf. Und oft werden dann Klischees abgespult. „Eine Unternehmerin wird meist als hart arbeitende Power-Frau mit Enthusiasmus, Energie und Cleverness dargestellt – als Superweib in einer Männerdomäne“, schreiben Welter und Achtenhagen. Zumindest im Jahr 2001 wurde jedoch erstaunlich viel über Unternehmerinnen berichtet. Vermutlich, weil gerade Beate Uhse gestorben war.

„Die Berichterstattung über selbstständige Frauen konzentriert sich auf Aushängeschilder, auf Frauen wie Friede Springer oder Jette Joop“, sagt Andrea Blome. Das will „Existenzielle“ ändern – auch wenn Prominente kein Tabu sind. In jedem Heft gibt es einen Themen- und einen Branchenschwerpunkt: So dreht sich in der aktuellen Ausgabe alles um „Unternehmerinnen-Kultur“ und die Baubranche. Neben der Gebäudereinigerin aus Pforzheim kommen Unternehmerinnen aus Berlin, Dortmund, Rostock und Antwerpen zu Wort. Blome hofft, dass neben den Leserinnen auch Anzeigenkunden diese Art von Zielgruppen-Journalismus schätzen. „Über kleine Unternehmen zu berichten ist reizvoll, weil mehr als 90 Prozent der Betriebe in Deutschland klein oder mittelständisch sind.“

Eine andere Statistik könnte den Magazin-Macherinnen selber Mut machen: Weiblich geführte Unternehmen gehen seltener Pleite.