Deutschlands Deal mit Senegal: Gas ohne Verantwortung

Deutsche und afrikanische Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen protestierten auf der Weltklimakonferenz zusammen gegen die Gaspolitik der Bundesregierung.

Der Präsident von Senegal Macky Sall und Scholz stehen auf dem Dach einer Photovoltaikanlage, davor weht die deutsche Fahne

Schön wär's: Scholz will von Senegals Präsident Macky Sall vor allem Flüssiggas, nicht Solarstrom Foto: Michael Kappeler/dpa

SCHARM AL-SCHEICH taz | Mit entschlossenen Gesichtern traten Bundeskanzler Olaf Scholz und Senegals Präsident Macky Sall damals im Mai vor die Kameras. Coronapandemie, Klimakrise, Krieg im Sahel – und der Ukrainekrieg und die Energiekrise in Europa. „Ich will da sehr klar sein“, sagte Scholz vor der Presse. „Wir wollen natürlich insbesondere mit Senegal nicht nur über die Frage der künftigen Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen zusammenarbeiten, also aus Solarkraft, Windenergie und die Speicherinfrastrukturen, sondern wir wollen das eben auch im Hinblick auf die LNG-Fragestellung und die Gasförderung hier im Senegal tun.“ Die beiden Länder hätten begonnen, sich darüber auszutauschen, so der Kanzler weiter. „Es ist unser gemeinsames Anliegen, dabei Fortschritte zu erzielen.“

Die Szene hallte nach auf der Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich. „Wenn Sie neue Öl- und Gasfelder auf Ihrem Territorium erschließen, sind Sie keine Klimaanführer:innen“, hielt die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate den Re­gie­rungs­che­f:in­nen in ihrer Rede auf dem Gipfel vor. „Wenn Sie fossile Energie im Ausland finanzieren, sind Sie auch keine Klimaanführer:innen“, so die 26-Jährige weiter.

Mit dem 1,5-Grad-Ziel, das auch in der Abschlusserklärung des ägyptischen Weltklimagipfels wieder festgehalten wurde, ist die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder schließlich nicht kompatibel. Das kann man in den Berichten der Internationalen Energieagentur nachlesen.

„Außergewöhnliche Umstände“

Ak­ti­vis­t:in­nen der afrikanischen Initiative Don’t Gas Africa konfrontierten Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am deutschen Pavillon des Gipfelgeländes. Sie haben beobachtet, wie Scholz einen Monat nach seinem Senegal-Besuch beim G7-Gipfel in Elmau in der Erklärung das Versprechen verwässern ließ, nach Ablauf des Jahres im Ausland nicht in fossile Energien zu investieren. Für Flüssiggas solle das „unter diesen außergewöhnlichen Umständen“ nicht gelten.

„Es ist nicht Deutschlands Rolle, für Senegal zu entscheiden, was es macht“, antwortete Schulze. Deutschland helfe dem Land auf dem Weg zu Erneuerbaren. „Wenn Senegal beschließt, sein Gas auszubeuten, können wir nicht streiten“, so die Ministerin. Außerdem investiere Deutschland kein öffentliches Geld in das Gasprojekt. „Zeigen Sie mir, wo wir investieren!“, rief Schulze einem Aktivisten zu. „BP investiert dort.“

Der britische Öl- und Gaskonzern BP ist Betreiber des Projekts Greater Tortue Ahmeyim in Mauritanien und Senegal. Läuft alles nach Plan, soll dort Ende 2023 ein neues Terminal einsatzbereit sein, von dem Unternehmen aus anderen Ländern beliefert werden können. Etwa Deutschland. Hat das also alles nichts mit Deutschland zu tun – auch wenn der Kanzler höchstpersönlich den Deal eintütet?

Es scheint die neue Sprachregelung der Bundesregierung zu sein, die gleich mit Ver­tre­te­r:in­nen von vier Ministerien auf dem Gipfel unterwegs war. Mehrfach war auf dem Gipfel zu hören: Gasgeschäfte sind Sache der Unternehmen, die das Gas in der Praxis liefern oder einkaufen, nicht die der Bundesregierung.

Zwei Tage vor Ende des Weltklimagipfels gründeten deutsche senegalesische Ak­ti­vis­t:in­nen in Scharm al-Scheich ein gemeinsames Protest-Netzwerk „klare Zurückweisung des vorgeschlagenen Gasdeals“. Die Ak­ti­vis­t:in­nen nennen sich Senegal-Deutschland Bürgerallianz für Klimagerechtigkeit. „Wir brauchen die Unterstützung und Hilfe von Deutschland, aber wir brauchen keine Technologie, die unsere Zukunft zerstört“, sagt Yero Sarr von Fridays for Future Senegal.

Seit 2017 wurden in Afrika 886.000 Quadratkilometer für die Erkundung neuer Öl- und Gasfelder genehmigt – eine Fläche, die ungefähr so groß ist wie Frankreich und Italien zusammen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die NGO Urgewald mit verschiedenen Partnerorganisationen am Rande der Klimaverhandlungen vorgestellt hat. Den Großteil der Projekte betreiben demnach keine afrikanischen Unternehmen, sondern internationale Konzerne – wie im Falle von BP und dem Senegal-Projekt. Leanne Govindsamy vom Centre for Environmental Rights sieht darin ein weiteres Problem, wie sie am Rande des Klimagipfels sagte: „Ein Großteil der Profite aus den fossilen Explorationen in Afrika fließt direkt in den globalen Norden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.