Soziale Einrichtungen in Berlin: Warten auf die Wärme

Das von der Sozialsenatorin ausgerufene „Netzwerk der Wärme“ soll Initiativen bündeln und unterstützen. Noch mangelt es an Zugang und Geldern.

Senior*innen essen zusammen

Spendet auch Wärme: gemeinsames Essen im Seniorenheim Foto: picture alliance

BERLIN taz | Der Nachbarschaftstreff Buckow ist eine Anlaufstelle im Neuköllner Süden. Jeden Mittwoch treffen sich hier eine Handvoll alleinstehender Se­nio­r*in­nen, um zusammen zu spielen und zu kochen. Die Wände sind fliederfarben gestrichen, auf einem großen Tisch mit blauer Wachstischdecke stehen Thermoskannen mit Tee, im Regal an der Wand stapeln sich Brettspiele.

Getragen vom Selbsthilfe- und Stadtteilezentrum Neukölln will dieser Treff im Ringslebenkiez einen Raum für Teilhabe schaffen, an dem Menschen sich austauschen können. Etwa in Gesprächscafés, beim Yoga, in Selbsthilfegruppen. „Ich bin wie ein Seismograf“, sagt Cordula Krause, die den Nachbarschaftstreff hauptamtlich betreut. „Die Leute reden sich hier bei uns ihre Sorgen von der Seele.“ Damit kommt sie nah ran an die Belange, Stimmungen und Probleme im Kiez. Die So­zi­al­ar­bei­te­rin hört zu, berät, vermittelt weiter.

Am besten funktioniere es, wenn sie Angebote mache, wie etwa den Spielenachmittag, sagt Krause. Dass Leute sich selbst zu Gruppen zusammenfinden, komme seltener vor. Geschäftsführer Sandro Haier bestätigt das. „Die, die uns entdeckt haben, kommen regelmäßig vorbei“, sagt er. Nur die Laufkundschaft fehle, der Nachbarschaftstreff sei zwischen den verschachtelten Häuserblocks schwer zu finden.

Vielleicht hilft es, dass der Treff jetzt auf der virtuellen Stadtkarte des „Netzwerks der Wärme“ Berlin markiert ist. Dort sind bisher knapp 80 Orte aufgeführt, die Bedürftigen im kommenden Winter Wärme spenden sollen – in Form von beheizten Wärmestuben, Suppen oder Tee, aber auch in Form von Beratung, Selbsthilfegruppen – zwischenmenschlicher Wärme.

Mit dem „Netzwerk der Wärme“ will die Senatsverwaltung für Soziales das zivilgesellschaftliche Engagement bündeln und fördern: etwa von Religionsgemeinden, von sozialen Institutionen, kulturellen Einrichtungen, Unternehmen, Verbänden und privaten Initiativen. Dafür hat die Verwaltung 10 Millionen Euro veranschlagt. Dauerhafte Stellen sollen damit allerdings nicht geschaffen werden.

Interaktive Berlinkarte

Sandro Haier hält das Netzwerk prinzipiell für eine gute Idee, allerdings sei die interaktive Karte im Netz besonders für Ältere nicht gerade barrierefrei, sagt er. „Das sind große Worte, aber so viel ist da noch nicht rumgekommen“, sagt er. „Die Orte für Austausch und Begegnung, die das Netzwerk schaffen will, gibt es ja schon. Sie brauchten schlicht mehr Geld.“

Haier kritisiert: „Wir wollen uns nicht zum Erfüllungsgehilfen des Senats machen und die großen Worte mit Leben füllen, damit es vom Senat gut verkauft werden kann.“ Er hätte sich das Ganze andersherum gewünscht: „Diejenigen, die die Zielgruppen ohnehin schon gut erreichen, melden der Senatsverwaltung zurück, woran es mangelt.“

Im September hatte Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) Initiativen zu einem Vernetzungsgipfel eingeladen. „Doch seitdem haben wir nichts mehr vom Netzwerk gehört“, sagt Haier ernüchtert. Eine finanzielle Förderung wurde den Trägern bisher noch nicht zugesagt.

Sozialarbeiterin Krause hofft auf positive Entscheidungen zur finanziellen Unterstützung beim nächsten Treffen mit dem Senat im Dezember. „Dabei könnten wir etwas mehr Geld schon jetzt gut gebrauchen“, sagt sie. Einerseits steigen die Energiekosten für den Nachbarschaftstreff, andererseits möchte das Team in diesem Winter sein Angebot ausweiten. Schließlich machen sich Inflation und Energiekrise für die Menschen im Kiez schon bemerkbar – und die Temperaturen fallen auch.

„Wir legen noch eine Schippe drauf“, sagt Krause. Sie böten nun längere Öffnungszeiten, mehr Möglichkeiten, sich im Treff aufzuwärmen, zusammen zu kochen, einen heißen Tee zu trinken. Für diejenigen, die sonst im Kalten sitzen würden oder sich eine Stunde Heizen sparen wollten. Auch Miet- und Sozialberatungen würden aktuell stärker nachgefragt. Ob und wie das zusätzliche Angebot gestemmt werden kann, hänge von der finanziellen Förderung des Senats ab, „das haben wir so auch zurückgemeldet“, sagt Krause.

Wärmestube für Bedürftige

Auch die Wärmestube in der Heilig-Kreuz-Passion in Kreuzberg hat sich auf der Stadtkarte des Netzwerks eingetragen. Mittwochnachmittags stehen die Kirchentüren allen Bedürftigen offen, Ehrenamtliche servieren kostenfrei Suppe, Kaffee und Obstsalat. „Wir diskutieren noch, ob und wie wir den Kirchenraum mit den hohen Backsteinwänden in diesem Winter für die Wärmestube heizen können“, sagt Heiner Holland, einer der ehrenamtlichen Organisator*innen.

Eröffnet wird die Wärmestube an jedem Mittwoch im Winter von einem Geistlichen der Kirchengemeinde. Vor dem Portal steht eine mobile Arztpraxis der Caritas. Alles andere, die Bewirtung und das musikalische Bühnenprogramm, tragen vor allem Ehrenamtliche.

Heiner Holland ist für den Empfang verantwortlich. Vor seiner Pensionierung war er Sozialpädagoge und in der Heilig-Kreuz-Gemeinde als Geschäftsführer engagiert, seit zehn Jahren hilft er in der Wärmestube mit. Er lobt die Initiative, die jede Woche mindestens 30, manchmal auch 100 Menschen zusammenbringt, kritisiert aber auch, „dass hier die Daseinsfürsorgepflichten des Staates auf die Wohlfahrtsverbände abgewälzt werden“. Sowohl hier als auch in Buckow ist die Frage, ob das Geld aus dem „Netzwerk der Wärme“ in diesem Winter noch da ankommt, wo es gebraucht wird.

Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) informierte am Donnerstag über den aktuellen Stand des „Netzwerks der Wärme“: Bevor das Geld fließen könne, müsse der Nachtragshaushalt in Kraft treten und veröffentlicht werden. Damit sei bis zum 25. November zu rechnen. Verabschiedet ist der Haushalt sein Anfang der Woche.

Die gute Nachricht laut Kipping: „Pro Bezirk ist eine Million Euro eingeplant, die dann ausgezahlt werden kann.“ Für Mitte nächster Woche sei bereits ein Termin angesetzt, um die Bezirke über Details zu informieren, damit das Geld auch dort ankomme, wo die Türen geöffnet werden, so Kipping zum weiteren Vorgehen.

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