Eishalle in der Energiekrise: Aufs Verzichten verzichten

Wegen der Energiekrise sollte in Bremen im Winter auf eine zweite Eishalle verzichtet werden. Eigentlich. Es kam dann doch anders.

Ein Junge läuft auf einer Eisbahn

Vielleicht wird der Winter ja so eisig, dass Eislaufen auch unter freiem Himmel geht Foto: David Ebener/picture-alliance

BREMEN taz | Für sich genommen ist die Geschichte von der Inbetriebnahme der zweiten Bremer Eishalle zu klein, um sie zu erzählen. Es ist der exemplarische Charakter, um den es bei dieser Anekdote geht, auch wenn es da diese reizvolle Koinzidenz gibt, dass exakt gleichzeitig in der Gemeinde Wangerland an der Küste, wo der Wind geerntet wird, den dann die Städter 100 Kilometer weiter südlich konsumieren, die Schwimmbäder dicht gemacht wurden, am 14. November.

Also, halten wir fest: Auf dem Land wird, um Energie zu sparen, auf eine Infrastruktur verzichtet, die ermöglicht, dass Leute schwimmen lernen und die DLRG trainieren kann, also etwas, was im Zweifel echt Leben rettet. Und nun schauen wir nach Bremen. Energiesparen hatten sie sich da auch vorgenommen. Im August hatte der Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sogar gesagt, die Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine habe „das gleiche Potenzial, unseren Alltag zu verändern, wie die Coronakrise“.

Und in der Tat: Zwischen 0 und 6 Uhr werden touristisch wertvolle Bauwerke – Rathaus, Roland, Böttcherstraße – nicht mehr angestrahlt. In dieser Sparideenvielfalt ragte die etwas später angekündigte Einzelmaßnahme heraus, die zweite Halle des Paradice, die Schlittschuh-Sporteinrichtung des kommunalen Bäderbetreibers, diesen Winter nicht zu nutzen.

Sinnig: Finanziell hätte man Minderausgaben von 411.000 Euro gehabt, die sich prima dafür einsetzen ließen, die Umrüstung auf nachhaltige Synthetikeisflächen (ja, die gibt’s) zu planen. Denn ohne die bleibt Eislaufen ein echter Klimakiller: Das Vereisen allein jener zweiten Paradice-Halle verbraucht in einem halben Jahr 0,61 Gigawattstunden. Weil man aber in solchen Einrichtungen auch gegen die eigens erzeugte Kälte etwas tun muss, sonst werden die Knicklicht-Party und die Flirtdisco ein Reinfall, kommen noch 0,9 Gigawatt für Wärme hinzu: Macht zusammen eine Einsparung von genug Energie, um 500 Zweipersonenhaushalte ein Jahr lang zu versorgen, also mindestens ein Dorf im Wangerland. So geht effizientes Sparen.

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Oder eben nicht. Denn, kaum hatte der Bäderbetrieb den Plan verkündet, sagten ein paar Eissportvereine och menno!, und da hatten sie natürlich auch wieder recht.

Also haben Sportsenatorin Anja Stahmann und ihr Staatsrat, die als Grüne prinzipiell ja schon für Energiesparen wären, mal lieber aufs Verzichten verzichtet. Alte Gewohnheiten aufzugeben, mag zwar klug sein. Es ist aber unpopulär. Und mit traurigen Eis­läu­fe­r*in­nen kann man auch keine Wahlen gewinnen. Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im Mai hat deshalb das Superschuldenland Bremen, um umweltpolitisch auch ohne Verzicht aktiv zu wirken, beschlossen, für einen Klimafonds Kredite aufzunehmen, als gäbe es kein Morgen mehr.

Gibt’s ja vielleicht auch nicht. Wenn in 20 Jahren dank Klimakatastrophe die Nordsee angefangen haben wird, das Wangerland wegzulecken, wird jemand die Frage stellen: Wie konntet ihr das zulassen? Ihr wusstet doch, was nötig ist! Wie konntet ihr mit euren grünen und sozialen Regierungen alles blockieren, was den CO2-Abdruck eurer Lebensweise drastisch gesenkt hätte?

Dann wird man sagen: Schau dir mal Bremen an, die Sache mit der zweiten Eishalle im Herbst 2022. Damals, als wegen des Ukrainekriegs alle noch mehr Energie hätten sparen wollen. So, wie das da im Kleinen schiefgegangen ist, so war es überall sonst auch, im Großen.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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