WM-Boykott in Berlin: Volles Haus ohne Katar

Am Sonntag beginnt die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Wer die Spiele boykottieren will, kommt in die Kneipe „Panenka“ in Friedrichshain.

Robo Zak in seiner Kneipe "Panenka" in Friedrichshain

WM? Ohne ihn. Robo Žak in seiner Kneipe Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

BERLIN taz | Robo Žak war schon im Sommer klar, dass er die WM-Spiele in seiner Kneipe nicht zeigen will: „Mir war egal, ob ich damit allein stehe.“ Er betreibt das Trinklokal „Panenka“ in Friedrichshain. Inzwischen haben sich in den sozialen Medien unter dem Motto #KeinKatarinmeinerKneipe allein in Berlin über 20 Lokalitäten zusammengetan, bei denen die Leinwand ab Sonntag ohne die WM auskommen muss.

„Bei dieser WM stimmt einfach gar nichts – weder der Austragungsort, noch das Wetter, noch die Vergabe oder die Menschenrechtslage.“ sagt Žak und lehnt sich auf seinen Tresen. Žak wirkt nicht wie jemand, der schnell wütend wird und trotzdem scheint ihn als Fußballfan das Thema wirklich umzutreiben: „Ich habe keine Lust. Ich will das nicht unterstützen.“

Vor sieben Jahren hat Robo Žak die Kneipe in der Weichselstraße eröffnet. Schnell stand fest: Sie soll den Namen der tschechoslowakischen Fußballegende Antonin Panenka tragen. Der hatte im EM-Finale 1976 den deutschen Keeper Sepp Maier mit einem gelupften Elfmeter überlistet, erzählt Žak und fachsimpelt mit zwei Gästen über die Theke hinweg über ostslowakische Bierkultur.

Alternativprogramm an den Spieltagen

Seit 15 Jahren ist Robo Žak Union-Fan. Die Wände im „Panenka“ hat er mit unzähligen Schals, Bildern und Vereinsemblemen dekoriert. Aber auch die Union-Spiele müssen während der WM in Katar pausieren. Langweilig soll es an den WM-Spieltagen in Žaks Kneipe trotzdem nicht werden. Er plant Filmabende, ein DJ-Set, einen Punkrock-Flohmarkt, vielleicht einige besondere ältere WM-Spiele und zwei Lesungen zum Thema.

Am 19. November rufen die Klimaaktivist*innen von „Extinction Rebellion Berlin“ zu einem Aktionstag auf. Neben einer Mahnwache von 12 bis 17 Uhr vor dem Reichstagsgebäude „Gegen Greenwashing und für Menschenrechte“ wird es nicht angemeldete Protestaktionen geben.

Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, organisiert Vorspiel SSL Berlin e. V. ein Protestturnier gegen die WM in Katar. Das Turnier startet um 10 Uhr auf dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg. Unter dem Motto „Kicken statt Gucken“ treten zehn Teams gegeneinander an. Umrahmt werden die Spiele von Auftritten queerer Künstler*innen. Der Eintritt ist frei. Die Initiator*innen setzen sich für einen Wandel im Fußball ein: Für konsequenten Einsatz für Menschenrechte, mehr Fokus auf Amateure, Demokratisierung der FIFA und die nachhaltige Umsetzung von Meisterschaften. (taz)

So liest parallel zum Eröffnungsspiel am Sonntag der Reporter und Publizist Gerhard Waldherr aus seinem Buch „Die WM und ich“. Unter dem Motto „Von Bern bis Katar, Momente für die Ewigkeit und was aus dem Fußball geworden ist“ wird er sich mit anderen Journalisten auf der Bühne über Fußballkultur und Weltmeisterschaften unterhalten.

„Ich werde es am Umsatz merken.“ Davon geht er trotz kreativem Alternativprogramm aus. Bei den letzten Europa- und Weltmeisterschaften freute er sich immer über ein volles Haus. Wegen der WM pausieren nun aber auch bis 20. Januar die Bundesligaspiele. Was Žak aber freut: Die Regionalliga läuft weiter, Žak sponsert den FC Viktoria 1889 Berlin, bei den Heimspielen verkauft er Bier am Spielfeldrand. „Ehrlicher Fußball“ sei das in seinen Augen noch. Ob er konsequent bleibe, auch wenn das deutsche Team ins Finale kommen sollte? „Ja, besonders dann!“

Improtheater statt Fußball-WM

Auch der Berliner Improtheatergruppe „Gorillas“ brannte es unter den Nägeln, sich angesichts der umstrittenen Fußball-WM im Katar zu positionieren und sich dem Boykott anzuschließen. Christoph Jungmann ist Ensemblemitglied und erzählt von der Entstehung der Idee: „Ich bin von mir selbst ausgegangen, wenn es keine gute Alternative gibt, schaue ich die Spiele am Ende doch.“ Deswegen spielen sie jetzt bewusst an einigen WM-Spieltagen und wollen so alle Wankelmütigen, die noch überlegen, ob sie nicht doch gucken wollen, ins Theater locken.

Die „Gorillas“, die im Ratibortheater in Kreuzberg zuhause sind und neben ihren Shows auch eine Improschule betreiben, haben ihre Boykott­aktion „Theatar statt Katar“ genannt. Jungmann, der selbst bekennender Fußballfan ist, ist wütend über die Bedingungen, unter denen diese WM stattfindet: „Von der Tradition des Fußballs, von einem Sport mit den Fans und für die Fans ist nicht mehr viel übrig.“

Seiner Ansicht nach sei die WM in Katar der Ausverkauf der Idee des Fußballs. Als Schauspieler war ihm allerdings wichtig, diese Antihaltung mit der Freude am Improtheater zu verbinden und so ins Positive zu wenden. „Wir sagen den Leuten: Kommt lieber ins Theater!“ erklärt Jungmann die Aktion. Der besondere Anreiz für das Publikum: Die Tickets für die Shows an den Spieltagen kosten nur fünf statt normalerweise 17 Euro. Nach den Auftritten werden Spenden für Amnesty International gesammelt.

Worum es in den Shows geht, entscheidet sich beim Improvisationstheater ja immer erst am Abend. Am 1. Dezember, einem der Termine von „Theatar statt Katar“, soll das Programm allerdings vom Fußball inspiriert sein.

Nicht alle Ensemblemitglieder sind Fußballfans und so wird an diesem Tag vieles zur Sprache kommen: „Was lieben wir am Fußball? Was hassen wir am Fußball? – Im Improtheater kann man mit allem spielen“, freut sich Jungmann auf den Abend.

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