Neue Details zum Abgasskandal: Erwartungen nicht zu hoch schrauben

Die Umwelthilfe hat Unterlagen veröffentlicht, wonach der Abgasskandal größer sein könnte als gedacht. Dennoch sollte man sich vor voreiligen Schlüssen hüten.

Auspuffabgas vor dunklem Hintergrund

Vermutlich fahren Millionen Fahrzeuge herum, die mit Betrugssoftware ausgestattet sind Foto: Marijan Murat/dpa

Der 2015 aufgeflogene Abgasskandal wird möglicherweise größer als bisher angenommen. Unterlagen, die die Deutsche Umwelthilfe am Donnerstag präsentierte, kann man als Belege für vorsätzlichen Betrug interpretieren. Damit würde noch deutlicher, dass die bisherigen Reaktionen von Bundesregierung, Verkehrsministerium, Kraftfahrtbundesamt und Justiz erstaunlich milde ausgefallen sind.

Die von der DUH vorgelegten Bosch-Papiere aus den Jahren 2006 bis 2015 lassen dies vermuten: VW, Audi, Daimler und BMW beauftragten Bosch mit Verfahren zur Abgasreinigung in Dieselmotoren, von denen sie wussten, dass sie teilweise illegal waren. Um das Abgasreinigungsmittel AdBlue zu sparen, verursachen solche Fahrzeuge im Normalbetrieb auf der Straße mehr Schadstoffe als auf den Prüfständen. Es ging den beteiligten Beschäftigten der Firmen nicht nur, wie oft behauptet, um die Vermeidung von Motorschäden, sondern sie wollten darüber hinaus Schadstoffvorschriften umgehen.

Die Belege deuten auf die bewusste Absicht der Unternehmen hin. Darin könnte auch der Bosch-Vorstand verwickelt gewesen sein. Insofern mag die Affäre nun nochmals weitere Kreise ziehen – auch über das bereits gegen Bosch verhängte Bußgeld von 90 Millionen Euro und frühere Bußgelder gegen die Autokonzerne hinaus. Relevant sein könnten die Informationen beispielsweise für das laufende Verfahren gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler.

Andererseits freilich muss man die Möglichkeit einkalkulieren, dass die Umwelthilfe ihren Fall aufbauscht, die Unterlagen irrtümlich interpretiert und juristisch nichts daraus folgt. Unter der Voraussetzung jedoch, dass die Annahmen zutreffen, ließe sich sagen: Die Autokonzerne haben Autokäufer, Politik und Öffentlichkeit bewusst getäuscht. Gemessen daran kann man die bisherigen politischen Reaktionen auf den Skandal, die Anordnungen des Kraftfahrtbundesamtes sowie die verhängten Strafen und Bußgelder als zu schonend betrachten. Nicht ausgeschlossen scheint, dass immer noch Millionen Fahrzeuge herumfahren, die mit Betrugssoftware ausgestattet sind.

Wird Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun mit dem Erbe seines Vorgängers Andreas Scheuer (CSU) aufräumen? Sieht das Bundeskartellamt, das Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) untersteht, neuen Anlass, wegen gesetzeswidriger Absprachen zwischen den Firmen aktiv zu werden? Man sollte die Erwartungen nicht allzu hoch schrauben. Die jetzt aufgetauchten Unterlagen deuten darauf hin, dass sich die Autokonzerne hierzulande deutlich mehr leisten – und auch leisten dürfen – als gedacht.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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