Alternative Antriebe: Denkmalschutz kontert Klimaschutz

In Hamburg soll eine Tankstelle für grünen Wasserstoff abgerissen werden. Sie verträgt sich nicht mit dem Status der Speicherstadt als Unesco-Welterbe.

Wasserstofftankstelle mit spitz zulaufendem hohem Flachdach in der Hamburger Speicherstadt

Verstellt die Sichtachse: Wasserstofftankstelle vorm Fleet Foto: Hoch Zwei Stock/Angerer/Imago

HAMBURG taz | Das Ding sieht futuristisch aus und ist es auch: die Wasserstoff-Tankstelle am Eingang von Hamburgs historischer Speicherstadt. Doch eben diese zentrale Lage wird der Tankstelle jetzt zum Verhängnis. Zum Juli 2023 soll sie abgebaut werden, weil sie den Status der Speicherstadt als Unesco-Welterbe in Frage stellt. Wo in Zukunft der grüne Wasserstoff etwa für die Busse der Hamburger Hochbahn, des städtischen Nahverkehrsbetreibers, herkommen soll, ist offen. „Hier schlägt Denkmalschutz Klimaschutz“, fasst Jörg Starr von der Betreiberfirma GP Joule Hydrogen zusammen.

Schon seit vielen Jahren versucht der Hamburger Senat, Wasserstoff als alternativen Energieträger zu fördern. Vor zwanzig Jahren gehörte das Nahverkehrsunternehmen Hamburger Hochbahn (HHA) zu den ersten, die Busse mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb erprobten.

Für die Energiewende ist Wasserstoff wichtig, weil sich damit große Mengen schwankender erneuerbarer Energie speichern lassen und er damit zu einer stabilen Strom- und Wärmeversorgung beiträgt. Zudem kann er direkt zur Dekarbonisierung chemischer Prozesse verwendet werden, etwa indem er den Kohlenstoff in der Stahlerzeugung ersetzt. Der Hamburger Senat plant deshalb einen Elektrolyseur im Hafen, eine 100 Megawatt leistende Anlage, um vor allem überschüssigen Windstrom in Wasserstoff zu verwandeln.

Seitdem die Hamburger Wasserstoff-Tankstelle 2010 in Betrieb gegangen ist, hat sich beim klima­neutralen Fahrzeugantrieb viel getan. Bei Motorrädern und Pkw hat sich der Akkumulator, die wiederaufladbare Batterie, als Energiequelle durchgesetzt. Wasserstoff kommt nur noch zum Zuge, wenn große Energiemengen bereitgestellt werden müssen, etwa bei Lastern, Bussen und Schiffen. Die Hochbahn verwendet den Wasserstoff-Antrieb bei Bussen auf langen Linien.

Weil Hamburg so auf Wasserstoff setzt, ging GP Joule davon aus, dass die Tankstelle eine Zukunft haben würde. Die Anlage gehört dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall. Im Juni dieses Jahres hat GP Joule die Anlage gepachtet und den Betrieb übernommen, wohl wissend, dass die Betriebserlaubnis 2023 auslaufen würde. „Wir sind aufgrund des großen Interesses an einer grünen Wasserstoff-Tankstelle in Hamburg davon ausgegangen, dass die Betriebserlaubnis befristet verlängert würde wie schon mal“, sagt GP-Joule-Abteilungsleiter Starr.

Abriss von vornherein klar

„Die Wasserstoff-Tankstelle wurde 2010 für zehn Jahre genehmigt“, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Das Denkmalschutzamt habe wegen des Weltkongresses für Intelligente Transportsysteme 2021 einer Verlängerung um zwei Jahre zugestimmt. „Durch den prominenten Standort in unmittelbarer Nähe zum Unesco-Welterbe Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus sollte der Bekanntheitsgrad für die neue Technologie gesteigert werden“, sagt Isermann, „was das Denkmalschutzamt begrüßte.“

Wegen der Bedeutung des Ensembles sei aber von vornherein klar gewesen, dass die Tankstelle wieder abgerissen werden müsse. „Auch im Rahmen der Eintragung der Speicherstadt in die Liste des Unesco-Welterbes 2015 wurde zugesagt, dass die Tankstelle nach der vereinbarten Zeit zurückgebaut wird“, sagt Isermann. Die Speicherstadt ist ein weitgehend erhaltenes, in sich geschlossenes Ensemble aus der Zeit um 1900. Errichtet wurde sie, um nach dem Anschluss Hamburgs an das Deutsche Reich in einem Freihafen zollfrei Waren umschlagen zu können. Hinter den neogotischen Backsteinfassaden verbarg sich modernste Technik.

Die Denkmalschützer grämt, dass die Wasserstoff-Tankstelle am Anfang eines Fleets steht, eines Kanals, der als Längsachse zwischen den Speicherblöcken hindurchführt. Das zerstöre die Sichtachse.

Das Dach der Tankstelle sei schon beim Bau extra hoch gelegt worden, um den Blick freizugeben, sagt Starr und ergänzt: „Wir haben signalisiert, dass wir hier baulich zu Kompromissen bereit sind und auf Wünsche eingehen wollen.“ Starr sagt auch: „Wir möchten den Standort gerne zu einem Hub der neuen, grünen Mobilität weiterentwickeln – mit Schnellladern für batterieelektrische Fahrzeuge, mit grünem Wasserstoff, mit Informationsmöglichkeiten.“ Der Standort und die technischen Voraussetzungen seien dafür optimal.

Der Stadt bietet GP Joule an, ihr auf dem Weg Richtung Klimaneutralität zu helfen. „Gemeinsam mit Toyo­ta möchten wir die Wasserstoff-Mobilität in Hamburg voranbringen“, sagt Starr. Zwei Mobilitätsdienstleister hätten Interesse, in nennenswerter Zahl Wasserstoff-Pkw anzubieten und bei GP Joule zu tanken.

Neben der zentral gelegenen Tankstelle in der Speicherstadt gibt es zurzeit drei weitere Wasserstoff-Zapfstellen in Hamburg. Die Hochbahn stellt sich darauf ein, dass die Anlage in der Speicherstadt abgebaut wird. Sie sei „in Gesprächen zu einer Kooperationsvereinbarung mit H2Mobility über eine neue Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe des Flughafens“, teilt ihr Sprecher Christoph Kreienbaum mit. „Im Idealfall steht die Tankstelle zur Mitte des kommenden Jahres zur Verfügung.“

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