Vier Bundesländer kippen Isolationspflicht

Wer Corona-positiv ist, soll in Teilen der Republik künftig nicht mehr zu Hause bleiben müssen, aber zumindest eine Maske tragen. Lauterbach hält das für verantwortungslos

Auch wenn die Isolationspflicht wegfällt, sollen an Covid-19 Erkrankte zu Hause bleiben und sich krankschreiben lassen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Von Manuela Heim
und Linda Gerner

Zwei Streifen auf dem Corona-Test, das hieß bisher: zu Hause isolieren, jegliche Kontakte meiden und frühestens nach fünf Tagen freitesten. In Baden-Wüttemberg, Hessen und Schleswig-Holstein sollen künftig andere Regeln gelten, in Bayern sogar schon ab diesem Mittwoch. Die vier Bundesländer heben die Isolationspflicht für Corona-Positive auf.

Die Ge­sund­heits­mi­nis­te­r:in­nen der vier Länder begründen den Schritt mit der durch Impfungen und durchgemachte Infektionen gestiegenen Basisimmunität in der Bevölkerung, mit den vergleichsweise milden Verläufen bei der vorherrschenden Omikron-Variante, mit den zuletzt sehr kurzen Infektionswellen und mit den guten Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern. Abgeschafft ist die Isolationspflicht bereits in Spanien, Dänemark und Österreich. Eine hohe Zahl von Neuinfektionen blieb etwa in Österreich bislang aus. Regelmäßige anlasslose Tests gibt es dort aber auch kaum noch.

Ähnlich wie in Österreich werden auch in den vier Bundesländern nicht alle Regeln aufgehoben. So muss sich zwar ab dem Wegfall der Isolationspflicht niemand mehr zu Hause absondern. Aber es soll eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gelten, die nur im Freien bei Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern wegfällt. Wer Symptome zeigt, soll sich krankschreiben lassen und zu Hause bleiben. Symptomfreie Menschen dürfen trotz positivem Test zur Arbeit, es sei denn sie arbeiten in medizinischen oder Pflegeeinrichtungen oder Massenunterkünften.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) erklärte, man habe diesen Schritt gehen müssen, weil „sich die Bundesregierung bislang einer gemeinsamen Lösung in der Isolationsfrage verweigert“. Die Entscheidung sei im Einvernehmen mit Ge­sund­heits­ex­per­t:in­nen gefallen. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, erklärte die Aufhebung am Dienstag für „medizinisch vertretbar“. Er appellierte an die Eigenverantwortung, damit Erkrankte wirklich zu Hause bleiben. Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Markus Beier, sagte der Rheinischen Post, es sei letztlich eine politische Entscheidung, ob es eine gesetzlich verankerte Isolationspflicht gebe oder nicht. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, forderte eine grundsätzliche Debatte über das Ende der Pandemie, bevor Schutzmaßnahmen vereinzelt aufgehoben werden.

Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) sinken derzeit die Coronaneuinfektionen. Am Dienstag gab das RKI die 7-Tage-Inzidenz mit 212,0 an, 47.179 Neuinfektionen. Das RKI geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da nur positive PCR-Tests in die Statistik einfließen.

Zurückgegangen ist auch die Hospitalisierungsrate. Diese lag am Dienstag 22 Prozent niedriger als vor einer Woche. Unverändert hoch bleiben die Sterbefallzahlen. In der Woche vom 17. bis 23. Oktober 2022 sind nach Angaben des RKI 939 Menschen mit einer Corona­infektion gestorben. Insgesamt starben bislang in Deutschland über 155.800. Deutschlandweit wurden bislang über 36 Millionen Infektionen registriert.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verurteilte das Vorpreschen der Lan­des­po­li­ti­ke­r:in­nen zu Beginn der Wintersaison als verantwortungslosen Fehler, der vor allem vulnerable Personen gefährde. Er verwies darauf, dass es in der Bevölkerung eine breite Zustimmung zur Isolationspflicht gebe. Tatsächlich hatten sich Mitte Oktober in einer Befragung des ARD-Deutschland-Trends 69 Prozent der Befragten gegen eine Aufhebung der Isolationspflicht ausgesprochen.

Auch bei Virologen gibt es unterschiedliche Ansichten zur Abschaffung der Isolationspflicht. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, schrieb bei Twitter, es gebe politische und gesellschaftliche Argumente dafür und dagegen. „Was mir dabei wichtig zu betonen ist: Keine Isolationspflicht mehr zu haben bedeutet nicht, dass Covid-19 für jeden ab jetzt völlig harmlos und nur ein Schnupfen ist.“

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