orte des wissens
: Ein Auge auf die Dunkle Energie

Seit 25 Jahren ist die Uni Göttingen Mitbetreiberin eines der größten Teleskope der Welt

Über dem Hobby-Eberly-Teleskop drehen sich Sternspuren um den Polarstern Foto: Ethan Tweedie Photography

Wissenschaft stößt an viele Grenzen, an moralische, logische, technische. Landesgrenzen überwindet Wissensdrang viel leichter. Und so steht seit 25 Jahren eine wissenschaftliche Außenstelle des Landes Niedersachsen auf dem rund 2.000 Meter hohen Mount Fowlkes im westtexanischen Davis-Gebirge: das Hobby-Eberly-Teleskop (HET), Teil des McDonald-Observatoriums, das sich mit Projekten zu Planetensystemen, Stern- und Sonnenspektroskopie, interstellarem Raum, extragalaktischen Phänomenen und Fragen der theoretischen Astronomie beschäftigt.

Davor wehen die Fahnen der US-Bundesstaaten Texas, Kalifornien und Pennsylvania – und daneben eine bayrische und eine niedersächsische, denn das HET ist ein Gemeinschaftsprojekt dreier US-Unis sowie der rund 8.800 Kilometer Luftlinie entfernten Georg-August-Universität in Göttingen plus der LMU in München.

Das Spiegelteleskop ist für Spektroskopie optimiert, also für die Zerlegung der beobachteten Strahlung nach einer bestimmten Eigenschaft wie Wellenlänge, Energie oder Masse. Mit seinem über neun Meter großen sphärischen Hauptspiegel, der aus 91 sechseckigen Segmenten von je einem Meter Durchmesser besteht, ist es das drittgrößte optische Teleskop der Welt.

Es ist ein bisschen ungelenker als seine großen Geschwister wie das Very Large Telescope in Chile: Es ist nicht in zwei Richtungen, Azimut und Höhe, steuerbar, sondern zeigt immer die gleiche Höhe von 55 Grad über dem Horizont. Es huscht also stets nur ein Kreisausschnitt des Himmels ins Blickfeld. Dafür ließ es sich viel billiger bauen. Und immerhin bis zu zweieinhalb Stunden kann mit ihm ein Objekt durch einen beweglichen Tracker nahe dem Brennpunkt des Hauptspiegels beobachtet werden.

Tolle Dinge ermöglicht das Teleskop den Göttin­ge­r*in­nen und ihren Kol­le­g*in­nen. Zum Beispiel können sie etwas beobachten, das bislang ganz und gar hypothetisch ist, dessen physikalische Interpretation völlig ungeklärt ist und das experimentell auch noch gar nicht nachgewiesen ist, nämlich Dunkle Energie. Indem sie Strukturen im Universum großräumig kartieren, etwa, wie sich Galaxien und Galaxienhaufen verteilen, wollen sie den kosmischen Fingerabdruck des Lichts von 2,5 Millionen Galaxien erfassen und daraus eine dreidimensionale Karte des Kosmos erstellen. Die soll helfen zu erklären, wie und warum sich die Ausdehnung des Universums im Laufe der Zeit beschleunigt: eines der großen Rätsel der Kosmologie.

Ein Rätsel hat die weltweite Wissenschaftler*innen-Gemeinschaft dank HET schon lösen können, das Rätsel um die Supernova 2014C. Sie konnten nachweisen, warum sie nicht kugelförmig nach außen explodierte wie andere Supernovae: Während des Ereignisses verschmolz das Gas von 2014C mit dem seines Doppelsternnachbarn. Der Stern explodierte schief, weil er mit der gasförmigen Grenzschicht kollidierte und daran entlangrutschte.

Auch die anderen Projekte am HET lassen die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen auf spektakuläre Entdeckungen hoffen. Etwa die Suche nach supermassiven Schwarzen Löchern in Zentren von Galaxien. Oder die Suche nach bewohnbaren Exoplaneten. Robert Matthies