Privatisierung am Zwischenahner Meer: Versteckte Perle

Als Spaziergänger einen Blick aufs Zwischenahner Meer werfen? Schwierig. Grund ist die Privatisierung des Ufers.

Illustration eines Stegs der ins grüne Schilf führt

Wie man sieht: Man sieht nichts Illustration: Jeong Hwa Min

BAD ZWISCHENAHN taz | Niedersachsens Seen, um den Kalaueralarm mal gleich zu Beginn auszulösen, bevorzugen den Komparativ. Nennenswert sind in dem Flächenland nämlich nur der Dümmer – der heißt echt so – sowie das Steinhuder und das Zwischenahner Meer. Deren Namen rühren laut Fremdenverkehrsverband von „norddeutschen Sprachgegebenheiten“ her.

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Wahrscheinlich würde man letzteren See in dialektal anders gepolten Regionen auch eher als Weniger bezeichnen, angesichts von den etwa 5,5 Quadratkilomter Fläche des Zwischenahner Meers, und möglicherweise drängt man deshalb seit mindestens 1868 darauf, die Alternativbezeichnung „Perle des Ammerlandes“ durchzusetzen. Das klingt wenigstens aufrichtig provinziell.

Nichts gegen die Provinz! Wir sind ja selbst dorthin gefahren, weil … – okay, die Vorgeschichte, mit der sich rechtfertigen lässt, dass wir die Perle des Ammerlandes umrundet haben, ist hier doch noch kurz zu resümieren. Uns war aufgefallen, dass exakt an jenem Wochenende vor 25 Jahren wir durch einen Zehlendorfer Standesbeamten unser Verhältnis, wie sagt man, legalisieren lassen hatten. In Erinnerung von seiner nicht bestellten, aber doch ohne Aufpreis vorgetragenen Rede geblieben ist uns nur, wie er sie unterbrach, um einem unserer unehelichen Kinder das Klauen der Hydrokultursteinchen mit den Worten, das sei jetzt aber nicht schön, zu untersagen. Der ganze Akt hatte dazu gedient, Anrecht auf den elternunabhängigen Bafög-Satz plus Kinderzuschlag zu erhalten.

Also war uns jetzt nach feiern zumute. Und so spontan, zumal an diesem silbernen Flitterwochenende zuvor noch ein Abendtermin zu absolvieren war und am Sonntagabend gleich wieder eine Opernpremiere anstand … Kurz, der Zug mit Endstation Bad Zwischenahn war das mit Abstand Exotischste, was sich dazwischenquetschen ließ.

Rundherum verbaute Ausblicke

Als wir nachts ankamen, war die Perle des Ammerlands nicht zu sehen. Nach dem Frühstück zogen wir dann zu Fuß los, zur Erkundung der Perle, trotz Niesels, mit der wechselseitigen tröstlichen Zusicherung, dass man zurück ja im Zweifel das Boot nehmen könne, wenn es zu lange dauern würde.

Tut es aber nicht. Der Rundweg sind eigentlich nur gute zwei Stunden. Er führt zunächst durch eine klotzige Wohnanlage, entlang von sechsstöckigen Apartmenthochhäusern, geschätzt in den frühen 1980ern errichtet, und laut Karte liegt auf der anderen Seite direkt der Schilfgürtel. Tja, dafür müssen die Leute in den Häusern während des Sommers vermutlich mit den Mücken klarkommen.

Von dort aus geht es auf dem Randstreifen eines sandigen Wegs, den die Rad­le­r*in­nen für sich beanspruchen, über eine Brachfläche nach links, dann nach rechts in einen Baumbestand, vermutlich Erlen, weil: Irgendwo in der Nähe muss das Wasser sein.

Am Grund der Perle befindet sich eine Faulschlammschicht, lässt sich Wikipedia entnehmen. Die Perle wird gespeist von Fließgewässern, die beim Rundweg zu überqueren sind. Flöge man drüber, könnte man die Perle des Ammerlandes wahrscheinlich gut erkennen, die, auf der Landkarte betrachtet, wirklich annähernd rund zu sein scheint. Sie zu überfliegen wäre auch von daher angemessen, weil die Perle des Ammerlandes laut einer örtlichen Sage entstanden ist, weil der Teufel einen Wald, den er auf die im Bau befindliche erste Kirche der nahegelegenen Stadt Oldenburg hätte schleudern wollen, hier ausgerissen habe und mit diesem dann durch die Lüfte davongeeilt sei.

Doch noch einen Blick auf die Perle

Das Teuflische entzieht sich oft den menschlichen Augen. Es wäre aber völlig falsch zu behaupten, es sei gar nicht möglich, einen Blick auf die Perle zu werfen. So haben einige der Villen statt der von vielen anderen Uferinhabern genutzten blickdichten Buchenhecken auf Rhododendren gesetzt. Durch deren fleischige Blätter dringt ab und zu ein Lichtreflex der Wellen.

Auch gibt es in den Ortschaften Schiffsanlegestellen, die der Allgemeinheit zugänglich sind. Eine Bucht hat zudem das Jugendherbergswerk für seine Segelschule ergattert, die so strikt nicht von den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit abgeschottet ist.

Und auf der Nordseite geht vom eigentlichen Rundweg, ähnlich einer Stichstraße, ein Pfad nach rechts ab, über den sich nach rund 300 Metern das Ufer erreichen lässt, wo ein Holzsteg angebracht ist, der durch den Schilfgürtel hindurch bis direkt auf die Wasserfläche hinausführt. Von dort aus ist die Perle dann wirklich uneingeschränkt gut zu sehen.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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