„Viele landen in Pseudopraktika“

Joachim Koch-Bantz vom DGB über die Risiken der Generation Praktikum – und wie man sich wehren kann

taz: In letzter Zeit wird verstärkt über Praktika diskutiert. Wann ist ein Praktikum noch nützlicher Teil der Ausbildung? Und wo beginnt eine mögliche Ausbeutung?

Joachim Koch-Bantz: Vor oder während des Studiums ist das in Ordnung. Wir vom DGB fordern das schon lange. AbsolventInnen der Hochschulen können so für bis zu drei Monate gegen Vergütung Einblicke ins Berufsfeld bekommen. Alles, was darüber hinausgeht, ist kein Praktikum oder Trainee-Programm mehr, sondern Einsatz von „Praktikanten“ auf regulären Arbeitsplätzen.

Wie stark ist die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze durch Praktikanten?

Der Praktikumsmarkt ist ein grauer, also schwer einschätzbar. Jährlich kommen etwa 200.000 Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt. Ein nicht geringer Teil landet in solchen Pseudopraktika.

Wo sehen Sie das Problem?

Es ist nicht fair gegenüber den Leuten. Und es hat Konsequenzen für die Sozialkassen. Es werden in der Regel keine oder geringe Steuern und Sozialabgaben gezahlt. Dagegen werden den Kunden die vollen Kosten, die den Firmen angeblich entstanden sind, in Rechnung gestellt.

Was tun Sie, um diese Ausbeutung zu verhindern?

Wir versuchen es zu verhindern. Allerdings ist in kleinen Betrieben unsere Basis nicht so stark. Und die Betriebsräte sind nicht in allen Einstellungsfragen eingebunden, gerade wenn sie als Praktika deklariert werden.

Diverse Initiativen setzen sich für Praktikanten ein, beim DGB etwa Students at Work. Was können die erreichen?

Unterstützen und aufklären. Viele AbsolventInnen in prekären Verhältnissen wissen über ihre Rechte nur unzureichend Bescheid. Viele trauen sich auch nicht, ihre Rechte einzufordern.

Wären Regeln und Mindestlöhne eine Lösung?

Wir unterstützen solche Forderungen. Denn was wir nicht über Tarifverträge erreichen, das muss halt anderweitig geschafft werden.

Welche Chancen sehen die dafür?

Wenn es so geht wie mit den angestrebten Tarifverträgen für die ungeprüften wissenschaftlichen Hilfskräfte, dann müssen wir noch Jahrzehnte warten.

Wie sollen sich potenzielle Praktikanten verhalten?

Sie müssten probieren, sich zusammenzuschließen. Für den Rechtsschutz wäre es sicher ratsam, in eine Gewerkschaft einzutreten. Solange die Betroffenen nicht versuchen, auf ihre Rechte zu dringen und sie auch einzuklagen, bleiben sie da hängen, wo sie sind. Das fängt mit dem Entgelt an, das ist der Urlaubsanspruch, und auch die Frage der Sozialversicherungsbeiträge gehört dazu. Ich weiß, in dem Alter denkt man nicht daran, dass man vielleicht mit 60 in Rente geht, aber das sind dann Jahre, die anschließend fehlen.

INTERVIEW: OLIVER VOSS