Kanzler Olaf Scholz reist nach Peking: Im Kriechgang nach China

Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Donnerstag zu seinem Antrittsbesuch nach China auf. Große Forderungen kann er nicht stellen.

Verkehr in Shanghai

Deutsche Autos auf den Straßen von Shanghai. So soll es bleiben, hoffen die Autobauer Foto: Ole Spata/dpa

BERLIN taz | Eine Wohlfühlreise ist es nicht, selbst „Reise“ trifft es kaum. Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Donnerstag zu einem Kurztrip nach Peking auf. Freitagmorgen trifft Scholz ein, pendelt in Peking zwischen dem Gästehaus der chinesischen Regierung und der Großen Halle des Volkes, trifft unter anderem Staatspräsident Xi Jinping, fliegt abends zurück. Für Gespräche mit Men­schen­rechts­ver­tre­te­r:in­nen bleibt da wohl weder Zeit noch Raum.

Der Zeitpunkt, so kurz nach dem Parteitag der Kommunistischen Partei, und das Ziel der Reise sind umstritten. Kritik kam vor Reisebeginn von westlichen Partnern, aber auch aus der eigenen Koalition. Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock ermahnte Scholz am Dienstag, die Bedeutung von Menschenrechten hervorzuheben und erinnerte an den Koalitionsvertrag, der eine neue Chinastrategie vorsieht.

Die Reise sei mit Frankreich und den USA abgesprochen, keiner habe gesagt „Fahr nicht“, kontert das Kanzleramt. Und: Der Kanzler werde das Thema Menschenrechte selbstverständlich ansprechen. Diese Reise sei keine bloße Fortsetzung früherer Ansätze, sondern eine Reise, bei der man prüfen wolle, wo Kooperation auch unter veränderten Vorzeichen in beiderseitigem Interesse sei, heißt es aus dem Kanzleramt.

Vorzeichen und Interessen haben sich jedoch vor allem aus Sicht des Westens ungünstig verändert. China ist eine wirtschaftliche Weltmacht, die etwa Taiwan unverhohlen auch militärisch droht und straff autoritär regiert wird. Im Krieg gegen die Ukraine steht China auf Seiten Russlands.

Gefährliche Asymmetrie

Der Krieg und die chinesische Position werden ein Thema bei den Gesprächen sein, so das Kanzleramt. Man hoffe, dass China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates seinen Einfluss geltend macht, damit Russland den Krieg beendet.

Im Zentrum des Besuchs werden jedoch nicht Hoffnungen, sondern handfeste wirtschaftliche Themen stehen, der Bundeskanzler reist denn auch in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation. Auch hier haben sich die Gewichte in den letzten Jahren zum Vorteil Chinas verschoben. China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands – allein 2021 betrug das Umsatzvolumen der Im- und Exporte 245 Milliarden Euro.

Und es hat sich eine deutliche Asymmetrie entwickelt: Während China im Laufe der Jahre immer weniger Maschinen und Waren aus Deutschland bezieht, ist das umgekehrt nicht der Fall: Der chinesische Anteil am deutschen Handel lag zuletzt bei 10 Prozent. Umgekehrt beträgt der deutsche Anteil am chinesischen Außenhandel nur noch 4 Prozent. Deutschland ist vom China-Handel also deutlich abhängiger als umgekehrt.

In einigen Bereichen wie etwa in der Netzwerk- und Informationstechnologie kommen sogar rund 40 Prozent aller Importe aus der Volksrepublik. Noch höher ist der Bedarf bei Seltenen Erden, den Stoffen, die Deutschland derzeit vor allem für seine Energiewende benötigt.

Abkopplung hätte fatale Folgen für Automobilbauer

Der Bundeskanzler reise nicht als oberster Handelsvertreter der Deutschland AG nach China, heißt es aus dem Kanzleramt. Dennoch ist offenkundig, dass Deutschland an guten wirtschaftlichen Beziehungen interessiert ist, ja sein muss. Von einem deutschen Rückzug aus China kann jedenfalls nicht die Rede sein. China sei als Handelspartner von herausragender Bedeutung, so das Kanzleramt. Klar sei aber auch, dass man den Umfang der großen Abhängigkeiten überwinden müsse.

Das Ifo-Institut hatte vor einigen Monaten durchgerechnet, was eine komplette wechselseitige Abkopplung von China für Deutschland bedeuten würde. Zahlreiche Branchen müssten auf günstige Zulieferer aus China verzichten. Zugleich würde der weltweit inzwischen zweitgrößte Absatzmarkt für sie wegbrechen. Größter Verlierer wäre die deutsche Automobilindustrie. Hier würde es einen Wertschöpfungsverlust von rund 8,3 Milliarden Euro geben, das entspricht einem Minus von rund 8,5 Prozent. Die Maschinenbauer wären mit einem Minus von über 5 Milliarden Euro betroffen.

Der Automarktexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor vom Center of Automobile Research, (CAR) etwa ist sich sicher, dass die deutsche Autoindustrie um China gar nicht herum kommt. Für China gebe es keinen Ersatz. Man könne zwar neue Standorte suchen, zum Beispiel in den USA. Doch die USA seien kein Wachstumsmarkt mehr. China hingegen schon: Das Marktpotenzial in China liegt heute bei etwa 20 Millionen Neuwagen im Jahr.

Dudenhöffer schätzt das langfristige Marktpotenzial von China auf 50 Millionen Neuwagen. Würde die deutsche Autoindustrie den chinesischen Markt verlieren, würde VW auf einen Schlag an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, so Dudenhöffer und glaubt, das wäre das Ende der deutschen Automobilindustrie.

China will autark werden

Für einen völligen Stopp des Handels und der Abbruch aller Beziehungen mit China ist auch bei den Grünen und der FDP kaum jemand. Dafür ist China bei globalen Problemen wie etwa dem Klimawandel, Rohstoffmangel und Lieferkettenengpässen ein zu wichtiger Player. FDP und Grüne plädieren für mehr Diversifizierung. Die deutschen Unternehmen sollen sich stärker anderen Märkten etwa in Südostasien zuwenden. Derzeit ist allerdings ein gegenläufiger Trend zu beobachten: BASF, Volkswagen und Siemens gehen noch stärker in den chinesischen Markt.

Ein weiteres Problem, und darauf verweisen auch die Ifo-Ökonomen: Eine Abkehr vom chinesischen Markt dürfte gar nicht von Deutschland entschieden werden. Die USA fordern bereits von den Europäern, sich für eine Seite zu entscheiden: China oder die USA. Hinzu kommt, dass China selbst bereits am Entkoppeln ist. Die Führung unter Xi Jinping hat explizit das Ziel vorgegeben, dass China technologisch und wirtschaftlich nach innen autark werden, der Rest der Welt aber abhängig von China werden soll.

Olaf Scholz ist also gar nicht in der Position große Forderungen an China zu richten. Sondern muss darauf hoffen, dass das Kräftegleichgewicht sich nicht noch mehr zu Gunsten Chinas verschiebt.

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