Journalist über Medien in Iran: „Besorgniserregende Berichte“

Jour­na­lis­t*in­nen in Iran werden zensiert, verhaftet, gefoltert. Sherif Mansour von der Presserechts-NGO CPJ fordert internationale Untersuchungen.

Ein Mann steht auf einer STraße am Kiosk und hält eine Zeitung, 2 gezeichnete Frauen auf dem Titel

Ein Leser der Zeitung Hammihan in Teheran am 30. Oktober 2022 Foto: Atta Kenare/afp

taz: Herr Mansour, CPJ veröffentlichte Ende September einen Bericht, dass 28 Journalisten in Iran verhaftet worden seien. Wie hat sich diese Zahl seitdem verändert?

Sherif Mansour: Die Zahl derer, die verhaftet wurden, ist mittlerweile auf 46 gestiegen. Darunter ist auch Niloofar Hamedi, die für das Medium Sharq, das der politischen Fraktion der Reformer nahesteht, arbeitete. Sie war diejenige, die den Fall Mahsa „Jina“ Aminis öffentlich machte, als sie ein Bild teilte, das Aminis Eltern weinend vor dem Krankenhaus in Teheran zeigte, in dem ihre Tochter im Koma lag. Mindestens neun Personen wurden zwischenzeitlich wieder freigelassen. Die aktuelle Zahl der in Haft Sitzenden liegt unseren Informationen nach bei 35. Die meisten wurden nicht bei Protesten verhaftet, sondern in ihren Wohnungen.

Committee to Protect Journalists (CPJ) wurde 1981 gegründet, hat Sitze in elf Ländern und unterstützt Journalist:innen, die unter repressiven und gefährlichen Bedingungen arbeiten. Die NGO berichtet über Verstöße gegen die Pressefreiheit, dokumentiert Angriffe auf Medienschaffende, recherchiert Namen und Geschichten von verletzten, inhaftierten oder getöteten Journalisten. Außerdem veröffentlicht sie den Index der Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Medienschaffende.

Niloofar Hamedi und einer weiteren Journalistin wird nun vorgeworfen, sie seien ausländische Agenten, ihnen könnte die Todesstrafe drohen. Ist das eine typische Methode des Regimes?

Die iranische Regierung hat seit 2009, als die „Grüne Revolution“ stattfand, verschiedene Verschwörungstheorien – etwa, dass der Westen Iran spalten wolle – bemüht, um Anti-Regierungs-Proteste zu begründen. Der nächste Schritt sind dann erzwungene Geständnisse: Journalisten werden gefoltert und bedroht, bis sie vor einer Kamera erscheinen, wo sie angebliche Verbrechen gestehen. So ging das Regime etwa gegen Ruhollah Zam vor. Er wurde 2019 aus dem Irak entführt, der Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten bezichtigt, „gestand“ diese schließlich und wurde hingerichtet.

Seine Karriere als Journalist begann er bei einer Zeitung in Kairo, Ägypten. Heute setzt er sich als CPJ-Programmkoordinator für den Nahen Osten und Nordafrika für die Rechte von JournalistInnen ein.

Welchen weiteren Gefahren sind die Festgenommenen ausgesetzt?

Einige der Journalisten wurden unter Anwendung von Gewalt festgenommen und sitzen in für Missbrauch bekannten Gefängnissen ein. Wir wissen, dass zumindest einige von ihnen in Einzelhaft im berüchtigten Evin-Gefängnis festgehalten werden. Dort sind in der Vergangenheit auch Journalisten gestorben: Etwa die kanadisch-iranische Fotojournalistin Zarah Kazemi im Jahr 2003. Sie wurde festgenommen, nachdem sie Bilder von Familien aufgenommen hatte, die vor dem Evin-Gefängnis gegen die Haft ihrer dort einsitzenden Verwandten protestierten. Wahrscheinlich wurde sie dort gefoltert und vergewaltigt. Im Jahr 2012 starb dort Sattar Beheshti, ein Blogger, der auf Facebook die Islamische Republik kritisiert hatte. Wir hoffen, dass es diesmal nicht so weit kommen wird, aber uns erreichen besorgniserregende Berichte: Über Journalist:innen, auf die während der jüngsten Gefängnisunruhen geschossen wurde, und über einige, die geschlagen oder in Einzelhaft gesteckt wurden.

Welche weiteren Maßnahmen ergreift das Regime?

Einige Journalisten wurden bei den jüngsten Vorfällen verletzt, unter anderem durch Schüsse der Regimekräfte. Die Regierung versucht so, die Berichterstattung über die Proteste zu zensieren. Sie versucht außerdem, mit einer landesweiten Unterbrechung des Internets durchzusetzen, dass Informationen aus Iran nicht nach außen dringen können. Iran ist eines der am stärksten zensierenden Länder der Welt, und das schon seit 2009, als die „Grüne Revolution“ ausbrach. Es wird kontrolliert, wer in das Land einreist und wer es verlässt. Unter iranischen Jour­na­lis­t:in­nen haben diese Maßnahmen bereits dazu geführt, dass sie das Land verlassen, um Verhaftungen oder Repressalien zu umgehen. Alleine während und in den beiden Jahren nach der „Grünen Revolution“ haben wir mehr als 100 Journalisten geholfen, ins Exil zu fliehen.

Wie schaffen es Jour­na­lis­t:in­nen in Iran, überhaupt noch zu berichten?

Die Maßnahmen der Regierung sind nicht neu, auch 2009 ging sie ähnlich vor. Viele haben daher gelernt, die Zensur zu umgehen. Ein Beispiel: Mohammad Mosaed, dem 2020 der Internationale Preis für Pressefreiheit von CPJ verliehen wurde. Er hat es geschafft, über die Covidpandemie in Iran zu berichten, obwohl die Regierung versucht hatte, das mit einer Unterbrechung des Internets zu unterbinden. Auf Twitter berichtete er, dass er dafür über 40 verschiedene Umgehungstools habe nutzen müssen. Auch jetzt versucht das Regime, oppositionelle Medien einzuschränken und zu verfolgen. Es wurden zum Beispiel Sanktionen gegen BBC Persia und den TV-Sender Iran International, der in Großbritannien sitzt, verhängt – so soll die Zusammenarbeit lokaler Journalisten mit diesen Sendern kriminalisiert werden. Die unabhängige Medienszene in Iran ist im Allgemeinen sehr begrenzt, die meisten Menschen verlassen sich auf soziale Medien, um kritische Informationen zu erhalten.

Wie berichtet das iranische staatliche Fernsehen über die Proteste?

Sie schieben die Schuld für die Proteste auf externe Akteure, etwa die USA, ohne über die Gründe zu berichten, warum diese Proteste seit September täglich stattfinden und bis zum heutigen Tag andauern. Das Regime hat nicht verstanden, dass die Unterdrückung von Dissens nur zu mehr Dissens im Allgemeinen führen kann.

Was könnten die westlichen Staaten tun, um iranische Jour­na­lis­t:in­nen zu unterstützen?

Das Wichtigste ist, dass Möglichkeiten geschaffen werden, mit denen Ira­ne­r:in­nen die Unterbrechung des Internets umgehen können, etwa indem sie sich über Satellit mit dem Netz verbinden, zum Beispiel über Technologie des US-Unternehmens Starlink. Es muss zudem Möglichkeiten für Jour­na­lis­t:in­nen geben, zu fliehen oder ins Exil zu gehen, wir müssen Ira­ne­r:in­nen einen sicheren Hafen gewähren. Außerdem fordern wir, dass die Regierung des Iran die festgenommenen Jour­na­lis­t:in­nen freilässt und während der Haft würdig behandelt. Und wir fordern weiterhin Menschenrechtsgremien wie den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf, Untersuchungen durchzuführen und die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.

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