Brasilien nach der Präsidentenwahl: Jede Menge Holz

Regenwald retten, Indigenenrechte stärken, Armut bekämpfen: Lula hat viel vor. Die Verhältnisse im Parlament werden es ihm schwer machen.

Blick auf den Regenwald

Nach Bolsonaros Abwahl: 26 Punkte für den Regenwald Foto: Bruno Kelly/reuters

SãO PAULO taz | Wenn man sich die ersten Reden Lulas nach der Stichwahl anhört, wird klar: Brasiliens künftiger Präsident hat sich viel vorgenommen. Er wolle das gespaltene Land einen, den Rassismus bekämpfen und die Gewalt gegen Frauen beenden. Besonderen Fokus will Lula, der aus einer bitterarmen Familie aus dem Nordosten stammt, auf die Bekämpfung der Armut legen.

Zwar ist die Inflation in den vergangenen Monaten leicht zurückgegangen, und im kommenden Jahr wird mit zaghaftem Wirtschaftswachstum gerechnet. Doch die Verarmung hat landesweit zugenommen. Alltägliches wie Gaskanister zum Kochen ist für viele nicht mehr erschwinglich, 33 Millionen Bra­si­lia­ne­r*in­nen sind laut Studien am Hungern. Während seiner letzten Amtszeit war es Lula tatsächlich gelungen – auch dank eines Rohstoffbooms –, die Armut drastisch zu senken. Seine Sozialprogramme verschafften ihm internationales Renommee. Daran will Lula anknüpfen. So erklärte er etwa, das Wohnungsbauprogramm Minha Casa, Minha Vida (Mein Haus, mein Leben) wieder einführen zu wollen.

Doch wie viel Spielraum hat Lula, um seine Pläne umzusetzen? Wirtschaftlich geht es dem Land schlecht, die goldenen Zeiten sind längst vorbei. Obwohl Lulas Arbeiterpartei, die PT, zulegen konnte, wird die Partei des unterlegenen Jair Bolsonaro die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus stellen. Etliche Rechte schafften ebenfalls den Einzug in den Senat und punkteten auch bei den Gouverneurswahlen.

So wird Lula trotz des Wahlsiegs viele Zugeständnisse an seine konservativen Part­ne­r*in­nen machen und im stark zersplitterten Parlament hart um Mehrheiten kämpfen müssen. Allzu große Veränderungen werden deshalb kaum umsetzbar sein.

Linke Alarmglocken

Um zurück an die Spitze des größten Landes Lateinamerikas zu gelangen, hatte Lula ein breites Bündnis geschmiedet. Sein Vize war der konservative Ex-Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin. Auch Wirtschaftsliberale wie der Ex-Präsident der Zentralbank sagten Lula ihre Unterstützung zu. Während die Finanzmärkte erfreut auf den Schulterschluss reagierten, schrillen bei Linken die Alarmglocken.

Die Befürchtungen sind groß, dass Lulas Amtszeit von einer orthodoxen Finanzpolitik geprägt sein könnte. Der Ex-Gewerkschafter wollte sich kurz nach der Wahl noch auf keinen Wirtschaftsminister festlegen – die Nominierung dürfte aber entscheidend sein für den Kurs der künftigen Regierung.

Lula versprach zudem, gegen die Abholzung im Regenwald des Amazonasgebiets vorzugehen. Unter dem rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro nahm die Zerstörung drastisch zu, auch weil dieser Schutzbehörden entmachtete und überall linientreue Funk­tio­nä­r*in­nen einsetzte. Lula suchte in den letzten Wochen die Nähe zu seiner Ex-Umweltministerin Marina Silva. Zusammen mit der prominenten Umweltschützerin aus dem Amazonas-Bundesstaat Acre legte er einen 26-Punkte-Plan vor. Er enthält ehrgeizige Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen sowie die Einrichtung indigener und ökologischer Schutzzonen. Mehrfach betonte Lula zudem, ein Indigenenministerium einzurichten – mit einer Indigenen oder einem Indigenen an der Spitze.

Doch auch Lula wird nicht an der Agrarlobby vorbeiregieren können. Mindestens 158 Abgeordnete werden einer überfraktionellen Interessenvereinigung des Agrobusiness im Kongress zugerechnet, ihr Einfluss ist groß. Zumindest auf die Unterstützung aus dem Ausland wird sich Lula verlassen können. Während Bolsonaro das Land mit seiner Umweltpolitik international isoliert hat, pflegt Lula gute Kontakte zu Staatschefs rund um die Welt – etliche davon gratulierten ihm noch am Sonntag zum Wahlsieg.

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