„Entgrenzung von Arbeit“

VORTRAG Ein Historiker erklärt die Auswirkungen der einstigen Utopie des selbstständigen Arbeitens

■ 33, ist Historiker und Autor aus Hamburg, mit dem Schwerpunkt „Wandel der Arbeitswelt seit den 70er Jahren“.

taz: Herr Neumann, was haben Sie gegen Selbstbestimmung?

Arndt Neumann: Ich habe nichts dagegen, nur hat sich die Bedeutung in den letzten Jahrzehnten verändert. In den 60er und 70er Jahren war die Selbstbestimmung der Arbeit ein Gegenentwurf zur vorherrschenden Arbeitssituation. Heute gehört Selbstbestimmung zu Management-Konzepten und ist eine geforderte Mitarbeiter-Qualifikation.

Wie sah die Arbeitswelt in den 70ern aus?

Es gab vor allem Großraumbüros und Fabrikhallen, mit autoritärem Management, klaren Hierarchien und Unterordnung. Arbeit und Freizeit wurden mit Hilfe von Stechuhren klar voneinander getrennt. Dies hat die Alternativbewegung durch ihre Gegenentwürfe stark kritisiert.

Und heute ist die Utopie einer „freieren Arbeitswelt“ zur Normalität geworden?

Leider nicht. Aus dem selbstbestimmten Arbeiten hat sich eine Entgrenzung von Arbeit und Leben entwickelt. Weil sich jeder für die Fertigstellung beispielsweise bei der Arbeit an einem Projekt verantwortlich fühlt, verlängern sich die Arbeitszeiten.

Wo sind noch Probleme entstanden?

Das selbstständige Arbeiten hat immer mehr an Bedeutung gewonnen, dadurch gibt es immer mehr Menschen ohne soziale Absicherung, wie beispielsweise die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Hier kommt es zu großen Unsicherheiten in der Gesellschaft.  Interview: HMM

19 Uhr, „Palast der Produktion“, Landrat-Christians-Straße 95