Alltag in der Energiekrise: Waschen nur bei Wind?

Robert Habeck will den Einbau von vernetzten Stromzählern – Smart Metern – beschleunigen. Doch der Nutzen für Ver­brau­che­r:in­nen ist umstritten.

Ein Smart-Meter

So sieht er aus: Habecks' Wunderautomat Foto: cookiecutter/imago

1 Was sind Smart Meter?

Smart Meter sind digitale und vernetzte Stromzähler. Sie erfassen den Stromverbrauch sekunden- bis minutengenau. Zum Smart Meter gehört ein Gateway, das die Daten an Netzbetreiber und Stromanbieter weiterleitet – und auch Daten von diesen empfangen kann, etwa über den aktuellen Strompreis.

2 Was sollen die Geräte für die Energiewende bringen?

„Durch die Anzeige des Verbrauchs in Echtzeit setzen Smart Meter Anreize, Strom dann zu verwenden, wenn er günstig und viel davon vorhanden ist“, sagt Barbara Saerbeck, Projektleiterin beim Think Tank Agora Energiewende. Das sei bei den Erneuerbaren besonders wichtig, weil die eingespeisten Mengen hier stark schwanken können: Viel Strom an einem sonnigen und windigen Tag, weniger bei Flaute und bedecktem Himmel. Ver­brau­che­r:in­nen könnten also dann ihr E-Auto voll laden oder ihre Waschmaschine anstellen, wenn der Strom in Fülle vorhanden und günstig ist.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Positiver Nebeneffekt: „Eine flexible Stromnachfrage trägt auch zur Netzstabilität bei“, sagt Saerbeck. In einer im Juni veröffentlichten Studie bezeichnet Agora Energiewende einen „intelligenten Verteilnetzbetrieb und einen deutlich schnelleren Smart-Meter-Rollout“ als erforderlich für ein erneuerbares Stromsystem. Wichtig ist dabei laut Saerbeck, auf Haushalte und Industrie gleichermaßen zu schauen, um möglichst viel Flexibilität zu gewinnen.

3 Welche Pläne hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)?

Habeck plant, „Hürden“ bei Smart Metern „möglichst wegzuräumen“. Dafür soll das Messstellenbetriebsgesetz geändert werden. „Wenn jemand an dem Vormittag, wo der Wind weht, die Wäsche wäscht und dann hat das nichts gekostet außer Waschpulver und Wasser, das ist das Versprechen, das wir einlösen müssen“, sagte Habeck Ende vergangener Woche auf einer Veranstaltung der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Die Grundzüge seiner Pläne: Lagerung und Transport sollen vereinfacht werden.

Musste bislang ein:e Mon­teu­r:in mit einer extra abgesicherten Box vorbeikommen, solle es künftig auch per Post gehen. Außerdem solle es keine „großen Verwaltungsakte und langwierige Gerichtsverfahren“ mehr geben. Und es soll schneller gehen mit der Entwicklung der Geräte: „Die komplexen Funktionen können erst mal in der Praxis erprobt werden und später kommen Updates drauf.“

4 Smart Meter gibt es schon seit Jahren – warum haben sich die Geräte bislang nicht durchgesetzt?

Weil es eine ganze Reihe von Vorbehalten und offenen Fragen gibt. Um ihren vollen Nutzen entfalten zu können, sind zwei Voraussetzungen nötig. Erstens: Stromanbieter, die variable Tarife anbieten. Also: niedrige Preise wenn viel Strom auf dem Markt ist, hohe Preise bei knappem Angebot. Vereinzelt gibt es solche Tarife bereits – doch transparent geht es dabei nicht unbedingt zu.

So geht für wechselwillige Ver­brau­che­r:in­nen auf den Homepages der jeweiligen Anbieter mitunter nicht einmal hervor, ob sie die jeweiligen Strompreise erst im Moment der Abrechnung erfahren oder bevor sie die Waschmaschine anstellen – und was passiert, wenn das Ökowaschprogramm drei Stunden dauert.

Um diese Stromtarife optimal ausnutzen zu können, ist eine zweite Voraussetzung wichtig: vernetzte Geräte. Das E-Bike zu Hause dann an den Strom hängen, wenn der gerade günstig ist – aber man selbst im Büro sitzt? Unpraktisch. Die Elektrogeräte – von E-Auto bis Waschmaschine – müssten daher direkt die Information über niedrige Preise bekommen und den Start auslösen, so man das vorher entsprechend eingestellt hat.

Das bedeutet, aus Smart Metern müsste Smart Home werden – mit allem, was dazu gehört: ein massiv steigender Bedarf an Mikrochips, notwendige Sicherheitsupdates, zu denen die Hersteller der vernetzten Geräte über entsprechend lange Zeiträume verpflichtet werden müssten, und Geräte, die aufgrund der zunehmenden Zahl an Elektronikkomponenten immer schwieriger zu reparieren sind.

Energiewende-Expertin Saerbeck sagt hingegen: „Man braucht keine smarte Waschmaschine, um von einem flexiblen Stromtarif profitieren zu können.“ Es sei bereits ein Fortschritt gegenüber dem derzeit üblichen Nutzungsverhalten, die eigenen Geräte manuell anzustellen, wenn viel Strom vorhanden ist, und dann vom Netz zu nehmen, wenn der Strom knapp ist.

5 Kann man durch die Analyse von Smart-Meter-Daten einer Wohnung tatsächlich rauskriegen, welches Fernseh­programm gerade läuft?

Ja. Forscher der FU Münster untersuchten schon vor gut zehn Jahren, was sich aus den Daten von Smart Metern über das Nutzungsverhalten der Be­woh­ne­r:in­nen herausfinden lässt. „So war es möglich, anhand des Verbrauchsprofils die Aktivität von Kühlschrank, Wasserkocher, Kaffeevollautomat, Durchlauf­erhitzer (Warmwasser), Toaster, Mikrowelle, Elektrogrill, Waschmaschine, TV-Gerät, Leuchtmittel (Glühlampe oder stromsparend), Herd aus der Datenmenge zu gewinnen“, heißt es in der Untersuchung.

Bei einem „für Privathaushalte typischen TV-Gerät“ ließ sich nicht nur die Einschaltzeit bestimmen. Es war auch möglich „das eingeschaltete Programm beziehungsweise den abgespielten Film zu identifizieren“. Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bezeichnet Stromverbrauchsdaten als „Datenschatz ohne Ende“. Nicht umsonst gebe es auch bei den Tech-Giganten ein großes Interesse, sich ebenfalls einen Platz auf dem Markt zu sichern.

6 Was sagt Habeck zum Thema Daten- und Angriffsschutz?

Habeck moderierte Datenschutzbedenken gegen den Einbau von Smart Metern ab – schließlich hingen Nut­ze­r:in­nen bei Facebook rum und posteten dort „alle privaten Urlaubsbilder“. Gleichzeitig adressierte Habeck die Risiken: „Wenn wir zwei, drei Beispiele haben, wo Smart-Meter-Systeme gehackt wurden oder Verbraucherdaten gesammelt und missbraucht wurden, dann wird sofort die gesellschaftliche Akzeptanz über die Wupper gehen.“

Das lässt sich auch als Appell an die Netzbetreiber und Stromanbieter verstehen – dass diese mit den Daten nicht alles tun, was sie könnten. Verbraucherschützer Schneidewindt schüttelt über den Facebook-Vergleich den Kopf: Eine Sache sei es, sich freiwillig Überwachung auszusetzen. Eine ganz andere, wenn es staatliche Vorgaben gebe.

7 Was bringen Smart Meter für die Verbraucher:innen?

Die Pläne seien „für die Verbraucher gut, für die Energiesicherheit und den Klimaschutz gut“, so Habeck in seinem Vortrag. Zumindest was den Nutzen für Ver­brau­che­r:in­nen angeht, ist das keineswegs ausgemacht. Denn mit dem wechselnden Strompreis plus fester Grundgebühr ist es keineswegs getan. Der Messstellenbetreiber darf die Be­woh­ne­r:in­nen an den Kosten beteiligen. Diese sind gesetzlich geregelt und liegen derzeit, je nach Stromverbrauch und Extras, wie etwa einer vorhandenen Solaranlage, zwischen 23 und 130 Euro im Jahr.

Laut Verbraucherschützer Schneidewindt sind die Anbieter aber dabei, kräftig für höhere Deckel zu lobbyieren. Er sagt: „Was wir als erstes brauchen, ist eine ehrliche und aktuelle Kosten-Nutzen-Rechnung.“ Also: Für welche Art von Haushalt – vom Kleinverbraucher mit 1.500 Kilowattstunden Strom im Jahr bis zum größeren Haushalt mit E-Auto und Wärmepumpe – lohne sich das überhaupt? Und wann zeige sich ein Nutzen auf gesellschaftlicher Ebene?

Für Kleinverbraucher reiche in Sachen Verhaltenssteuerung eigentlich eine App, die ihnen anzeige, wann Strom günstig ist. Vernetzte Geräte und das ganze Drumherum brauche es da gar nicht. Bei Geräten wie Wärmepumpen, E-Autos, Blockheizkraftwerken und Photovoltaik-Speichern sei es dagegen sinnvoll, sie in eine smarte Netzsteuerung einzubinden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.