Energiepolitik in Deutschland: Thunberg für längere AKW-Laufzeiten
Klimaaktivistin Greta Thunberg hält die geplante Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland für falsch. Es sei ein Fehler, sich Kohle zuzuwenden.
BERLIN dpa/taz | Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg hält es für falsch, die noch aktiven Atomkraftwerke (AKW) in Deutschland abzuschalten und stattdessen verstärkt auf Kohlekraft zu setzen. „Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden“, sagte die Gründerin der Bewegung Fridays for Future im Interview mit ARD-Talkmasterin Sandra Maischberger, das am Mittwochabend im Ersten ausgestrahlt wird. Die Aufzeichnung des Gesprächs lag der Deutschen Presse-Agentur vorab vor.
Es sei „eine schlechte Idee“, auf Kohle zu setzen, solange „das Andere“ noch existiere, erklärte Thunberg weiter. Die Aktivistin bezog sich dabei auf die Krisenstrategie der Bundesregierung, Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen, um die Stromerzeugung aus Gas zu reduzieren. Auch zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke sollen als Notreserve über den eigentlichen Abschalttermin Ende des Jahres am Netz bleiben – allerdings nur bis spätestens Mitte April 2023 und nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Der Ausstieg aus dem Ausstieg ist innerhalb der Fridays-for-Future-Bewegung umstritten. Luisa Neubauer vom deutschen FFF-Ableger hatte im Sommer erklärt, sie halte einen Streckbetrieb der AKW für akzeptabel. Allerdings bezweifle sie, ob er auch Sinn ergebe. Ein aktueller Beitrag auf der Fridays-for-Future-Homepage kommt zu dem Ergebnis, dass die Zukunft nicht in nuklearen Energien liegen könne.
Auch da ist Thunberg weniger rigoros. Auf die Frage, ob die AKW nach der aktuellen Krisenphase überhaupt abgeschaltet werden sollten, sagte Thunberg: „Kommt drauf an, was passiert.“
Es gebe auch sonst Alternativen zum Wiedereinsatz von Kohlekraft. „Ich glaube, dass es andere Wege nach vorne gibt. Mit erneuerbaren Energien.“ Sie warnte davor, weiterhin in fossile Energie zu investieren – auch wenn sie die Notwendigkeit verstehe, die Bürger vor zu hohen Energiekosten zu schützen, sagte Thunberg. Die Menschen hätten sich aber auch „selbst abhängig gemacht und eine Gesellschaft geschaffen, in der wir nicht in der Lage sind, mehr als ein Jahr in die Zukunft zu schauen. Das ist nicht nachhaltig!“, sagte die 19-Jährige Aktivistin.
Thunberg kritisierte, dass die Klimakrise immer noch nicht wie eine globale Notlage behandelt werde. Die Coronapandemie habe gezeigt, dass das möglich sei. Auch in Kriegszeiten dürften die Folgen der Klimakrise aus ihrer Sicht nicht aus dem Blick geraten. „Jeder Krieg ist ein Desaster. Auf ganz vielen Ebenen. Aber wir müssen in der Lage sein, uns mit verschiedenen Dingen zur selben Zeit zu beschäftigen.“
Leser*innenkommentare
mwinkl02
@Meerwind7. Das ist ein guter Vorschlag. Damit wird sichergestellt, dass Atomkraftwerke nicht länger am Netz verbleiben, als es wirtschaftlich sinnvoll ist. Eine längere Laufzeit ist nur soweit verantwortest, wir dadurch der Ausbau erneuerbarer Energien nicht verzögert wird. Da ist aber in 1. Linie eine Frage des Willens Wiederstände aus dem Weg zu räumen. Wie lange braucht es ein Windrad technisch zu bauen und wie lange organisatorisch? Eine Laufzeitverlängerung sollte in jedem Fall auf die Dauer eines technischen Nachbaus erneuerbarer Energien in Höhe der abzuschaltenden Atomkapazität begrenzt werden.
Gärtnerin
Greta Thunberg sagt das seit 2019, mit der Begründung, dass die Energiewende so stark ausgebremst wurde.
mensch meier
Was interessiert es?
Frau Thunberg hat das Klima zum Thema gemacht. Das war eine große Leistung.
Aber hat sie deswegen die Kompetenz global technische Fragen zu beurteilen???
1. Die AKWs sind Schrott!
Es wurde jahrelang alles auf Verschleiß gefahren und nur minimal investiert, weil das Abschalten einkalkuliert war.
Schon so waren die letzten Jahre die gefährlichsten der AKW-Geschichte.
2. Sie sind überflüssig!
Lest die Stresstests!
Selbst im hahnebüchstendsten Chaosfall sparen sie bestensfalls ein paar Stunden partielle Netzabschaltung!
Also quasi nix!
Und sie machen den Strom auch nicht billiger.
Arne M
Letztlich zeigt sich, dass wir Bürger unterinformiert sind. Auf die Fragen, wieviele Mitarbeiter nach dem 31.12. überhaupt noch vor Ort sind, wie lange die Vorräte in den AKWs halten und wie viel Energie letztendlich freigesetzt wird - von allem ist nichts bekannt. Nur Spökenkiekerei.
656279 (Profil gelöscht)
Gast
Die liegt ja vollkommen falsch, die Greta; mit ihrem faktischen "Pest oder Cholera"- Vergleich.
Denn als Alternative zur Kohle haben wir doch nun auch gutes, grün geprüftes US-Frackinggas.
fly
Na dann ist das ja jetzt geklärt.
meerwind7
Dann sollten auch so viele CO2-Zertifikate entwertet werden, wie sie bei Stromerzeugung mit Kohle statt in den länger betriebenen KKW benötigt würden. Andernfalls bringt die Laufzeitverlängerung nichts für den Klimaschutz.