Denkmal für ermordete Sinti und Roma: „Ehrendes Gedenken bewahren“

In Berlin erinnert Bundespräsident Steinmeier an die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma. Das Denkmal sei ein „ständiger Auftrag“.

Bunte Blumen sind am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma abgelegt, Menschen spiegeln sich im Wasser des Denkmals

Bunte Blumen gegen das Vergessen: Festakt am Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma Foto: Soren Stache/dpa

BERLIN taz | „Jemand muss sagen, was die Nazis mit den Sinti gemacht haben. Das wissen viele heute immer noch nicht. Aber unsere Menschen sollen nicht vergessen werden. Ich will, dass sie wissen, wie das ist, wenn man alles verloren hat, was einem lieb war.“

Mit den Worten der Deutschen Sintezza Zilli Schmidt eröffnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag den Festakt anlässlich des zehnten Jahrestags des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin. Zilli Schmidt, „die unermüdliche Kämpferin gegen Antiziganismus“, wie der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas Uwe Neumärker sie beschrieb, starb am Freitag im Alter von 98 Jahren.

„Hier im Berliner Tiergarten versprechen wir ihr ein ehrendes Gedenken zu bewahren“, sagte Steinmeier. Das Denkmal erinnert an den Mord von mehr als 500.000 Angehörigen der Sinti- und Roma-Gruppen, die während des Nationalsozialismus ermordet wurden. Eigentlich gab es bereits 1995 Pläne für dessen Bau. Doch der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, wies sehr klar daraufhin, dass „27 Jahre lang Widerstand überwunden werden musste“, bis das vom israelischen Künstler Dani Karavan entworfene Wasserbecken 2012 endlich an die Öffentlichkeit übergeben wurde.

Damals wie heute „finden Sinti und Roma in den offiziellen Reden, in denen an die Opfer des Holocaust erinnert wird, keine Erwähnung“. Dabei wurden Rom*­nja und Sin­ti*z­ze schon mit dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 „aus der Volksgemeinschaft“ der Deutschen ausgeschlossen und erlitten daraufhin Diskriminierung, wurden zwangssterilisiert oder in Arbeits- und Konzentrationslagern inhaftiert.

Erst 1982 wurde der Völkermord durch die Bundesregierung endlich anerkannt. Beim Festakt kritisierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dies dann auch scharf: „Viele Roma starben, bevor Deutschland die Verantwortung übernahm, für viele kam die Entschädigung zu spät. Auf Deutsch und Romani bat Frank-Walter Steinmeier „im Namen des Landes wiederholt um Vergebung für das unermessliche Unrecht, das den Roma Europas in der Zeit des Nationalsozialismus von Deutschen angetan wurde, und die Missachtung, die Deutsche Sinti und Roma auch nach Kriegsende in der Bundesregierung erfahren haben“.

Laut Bundespräsident Steinmeier ist das Denkmal ein „ständiger Auftrag: Wir dürfen nicht vergessen.“ Um die Geschichten der Opfer am Leben zu erhalten und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wurde beim Festakt am Montag ebenfalls eine ergänzende Freiluftausstellung eröffnet. Auf neun Tafeln werden dem Leid und dem Widerstand der Rom*­nja und Sin­ti*z­ze Namen und Gesichter gegeben.

S-Bahn-Pläne bedrohen Denkmal

Einer von Ihnen – der niederländischen Sinto und Holocaustüberlebenden Zoni Weisz – richtete mit seiner Rede den Blick in die Gegenwart und prangert an: „In vielen europäischen Ländern sind wir die größte Minderheit, doch werden wir als Bürger zweiter Klasse behandelt. Die große Mehrheit hat keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben, keine Arbeit, keine Ausbildung und keine angemessene medizinische Versorgung.“ Es ist eine harte Kritik, die er übt.

Laut Weisz schufen die europäischen Regierungen nicht die Voraussetzungen dafür, dass Minderheiten in Sicherheit, Frieden leben könnten. „Diese Länder bezeichnen sich selbst als zivilisiert, aber das würde bedeuten, dass sie diese Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion, oder Herkunft respektieren.“

Dabei appellierte auch der Zentralratsvorsitzende Romani Rose an die dringende Notwendigkeit, demokratische Institutionen gegen einen vielerorts erstarkenden Rechtsruck viel stärker zu schützen: „Wenn wir unseren Rechtsstaat verteidigen, verteidigen wir das Zusammenleben aller Menschen in diesem Land.“

Und auch die Zukunft des Denkmals, dass monatlich geschätzt von mehr als 80.000 Menschen besucht werde, gelte es zu verteidigen, betont der Holocaustüberlebende.

Denn der Bau einer neuen S-Bahn-Linie bedroht den Erhalt des Wasserbeckens. Weisz’ Aufforderung, das Denkmal unangetastet zu lassen, „damit unsere Toten ihre ewige Ruhe finden können“, bekräftigten die Gäste mit lautem Applaus zum Ende des Festakts.

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