„Solidarischer Herbst“-Demonstrationen: Für mehr soziale Gerechtigkeit

Das Bündnis breit, der Zuspruch bescheiden. Laut Ver­an­stal­te­r:in­nenangaben waren rund 24.000 Menschen dabei.

Demonstrierende laufen in Dresden über eine Brücke

Für die ganze Brückenbreite reichte es bei der Demonstration am Samstag in Dresden nicht Foto: Matthias Rietschel/dpa

FRANKFURT AM MAIN / DRESDEN taz | Auf dem Rossmarkt, wo in Frankfurt am Samstagmittag die Kundgebung „Solidarisch durch die Krise“ startet, wehen viele Fahnen – ein wahres Meer in Rot mit den Schriftzügen des DGB, von Verdi und diversen linken Gruppen. Aber auch grüne Transparente von Umweltschutzgruppen stechen ins Auge.

„Klimaschutz statt Armut“ – so steht es schwarz auf knallgelb auf den Plakaten der Greenpeace-Aktivist:innen. Das bringt griffig auf den Punkt, was das Anliegen der Demonstrierenden ist: mehr Klimaschutz und eine sozial gerechtere Politik – beides in Verbindung und besonders jetzt in der Krise. „Ich spüre die Krise gerade sehr – und die aktuellen Maßnahmen der Politik, die reichen einfach nicht, gerade nicht für mich als Alleinerziehende“, berichtet eine Demoteilnehmerin der taz.

Allerdings: Die Frau ist eine der wenigen, die einfach so, ohne einem großen Verband anzugehören oder über ihn mobilisiert worden zu sein, in Frankfurt auf die Straße gegangen ist. Während sich die Demonstrierenden mit ihren Fahnen und Plakaten durch die Straßen schlängeln, drängen sich nebenan auf der Zeil die Passant:innen.

Die Frankfurter Einkaufsmeile ist gut besucht. Etliche schauen interessiert zum Demozug herüber. „Ja, die steigenden Preise, die machen mir echt zu schaffen“, erzählt eine junge Frau aus Bad Homburg. „Aber demonstrieren, ich weiß nicht“, sagt sie der taz. „Ich glaube das bringt nichts.“

Überschaubare Teil­neh­me­r:in­nen­zah­len

Das Frankfurter Event war eines von bundesweit sechs Demonstrationen, die die DGB-Gewerkschaften Verdi und GEW gemeinsam den Sozialverbänden Volkssolidarität und Paritätischer Gesamtverband sowie den Umweltverbänden BUND und Greenpeace organisiert haben. Zum Auf­ru­fe­r:in­nen­kreis zählten auch Attac, Campact und der Verein Finanzwende.

Unter dem Titel „Solidarischer Herbst: Soziale Sicherheit schaffen – Energiewende beschleunigen“ ­forderten sie gezielte Hilfen für Menschen mit wenig Geld, höhere Steuern für Reiche und eine konsequentere Energiewende. Die Kritik an der Regierung, die will man nicht den Rechten überlassen. Sondern für die eigenen Anliegen nutzen.

Zu den Un­ter­stüt­ze­r:in­nen der Demos gehörten überdies noch unter anderem der Deutsche Mieterbund, die AWO und Fridays for Future. Für ein solch breites Bündnis blieb die Resonanz spärlich: Laut den Ver­an­stal­te­r:in­nen nahmen an den Demonstrationen in Berlin, Düsseldorf, Dresden, Hannover, Stuttgart und Frankfurt am Main insgesamt rund 24.000 Menschen teil.

Und das ist schon eine äußerst wohlwollende Schätzung. So zählten sie in Frankfurt und Düsseldorf je 5.000 Demonstrant:innen, die Polizei kam jeweils auf deutlich weniger als 3.000. Auf der größten Demonstration in Berlin sollen laut dem Bündnis 6.000 gewesen sein, laut Polizeiangaben waren es 2.800. Die tatsächliche Anzahl dürfte sich irgendwo dazwischen bewegt haben. Die Erwartungen waren weit höher gewesen.

Im Dresdner Stadtbild dominieren die Dynamo-Fans

Auch in Dresden zählen die Ver­an­stal­te­r:in­nen großzügig. Auf 2.000 Teil­neh­me­r:in­nen kommen sie. Tatsächlich sind es deutlich weniger. Das Stadtbild bestimmen an diesem Samstag die Dynamo-Fußballfans, nicht die etwa 500 De­mons­trant:nnen für eine solidarische Bewältigung der Kriegsfolgen.

Aber immerhin einer der schwarz-gelben-Schalträger lässt sich auch am goldenen Reiterstandbild des Kurfürsten August blicken, wohin das neue Bündnis eingeladen hat. Sabine Zimmermann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband spielt in ihrer Rede auf August den Starken als feudalen „Mann des Luxus“ im frühen 18. Jahrhundert an: „Wir aber setzen ein Zeichen der Solidarität!“

Dieses Zeichen hätte auf dem beliebten Dresdner Demonstrationsplatz zahlenmäßig eindrücklicher ausfallen können. Gleichwohl bestimmt Vielfalt das Bild. Über Fahnen und Transparente des Ver­an­stal­te­r:in­nen­bünd­nis­ses gehen einige Gruppen hinaus. „Klassenkampf! Für unsere Zukunft, gegen ihre Profite“, fordern drei junge Männer.

Ganz in der Nähe weht eine Antifa-Fahne. Die MLPD verlangt „aktiven Widerstand gegen den 3. Weltkrieg“, andere „Diplomaten statt Granaten“. Norbert Winter, der stellvertretende Geschäftsführer der IG BCE Dresden-Chemnitz, greift den alten DDR-Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen auf“: Es sei eine „pervertierte Ansicht, dass mehr Waffen Menschen retten“, so Walter.

Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen zeigen sich zufrieden

Anders als in Berlin, wo die Linkspartei mit ihrer gesamten Parteiprominenz von Klaus Lederer bis Katja Kipping vor Ort ist, macht sie sich in Dresden rar. Linken-Stadtchef Jens Matthis ist zwar gekommen, sonst aber verstecken sich ganze zwei Fahnen der Linken eher auf dem Platz. Der Grund: Noch am Vormittag war im Dresdner Stadtverband gestritten worden, ob man überhaupt oder gar mit Flaggen teilnehmen solle. Unter den wenigen, die schließlich zur Demo gekommen sind, sind Begriffe wie Streit, Unsicherheit, ja Resignation in der Partei zu hören.

Im Anschluss an den Dredner Demonstrationszug gab es auf dem zentralen Postplatz noch ein Konzert „Soli Sounds“ unter anderem mit Sänger Sebastian Krumbiegel von den Prinzen. Ein netter Abschluss.

Trotz des ausbaubaren Zuspruchs zeigten sich die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen insgesamt zufrieden: „Die Demonstrationen zeigen, dass viele Menschen sich in der Krise nicht spalten lassen und sich eine sozial-ökologische Wende wünschen“, verkündeten sie anschließend. An die Bundesregierung sei „ein starkes Zeichen“ gesendet worden, „für eine sozial gerechte und nachhaltige Politik“.

Auch in Frankfurt ist man zufrieden. „Das ist ein guter Auftakt. Und eine ganz gute Teilnehmerzahl“, sagte Werner Neumann vom Landesvorstand des BUND in Hessen der taz. Die Linken-Vorsitzende und frühere hessische Linksfraktionsvorsitzende Janine Wissler, die ebenfalls an ihrer alten Wirkungsstätte mit dabei war, stimmte zu: „Ich denke, das ist ein guter Erfolg, dass hier so viele gemeinsam Flagge zeigen“, sagte sie der taz. Doch Wissler räumte auch ein: „Aber ja, wir müssen uns vielleicht danach auch noch einmal überlegen, wie breitere Schichten erreicht werden können.“

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