das wird
: „Unsere Welt ist voller Fabelwesen“

Ein Festival rettet sagenhafte Kreaturen vor dem Vergessen

Foto: privat

Florian Schäfer

31, hat Biologie studiert, forscht kulturwissenschaftlich, ist Gründer der Mythentage Hann. Münden.

Interview Jasper von Römer

taz: Herr Schäfer, haben Sie ein Lieblings­fabelwesen?

Florian Schäfer: Ich finde, prinzipiell hat jedes Fabelwesen seine eigene faszinierende Entstehungsgeschichte. Aber das Aachener Bahkauv, das auch das Titelbild der Mythentage ist, hat es mir angetan, weil es nur in dieser Stadt vorkommt und sich aus Elementen unterschiedlicher Tierarten zusammensetzt.

Warum organisieren Sie die Mythentage?

Das Ganze ist Teil meines Projektes „Forgotten Creatures“. Ich habe es mir damit zur Aufgabe gemacht, deutschsprachige Märchen und Sagen wieder erlebbar zu machen. Menschen fahren nach Irland, um was über Leprechaun und Gold am Ende des Regenbogens zu erfahren oder nach Schweden, um Troll-Geschichten zu hören. Aber die sagenhaften Wesen mit deutschem Ursprung und was sich kulturgeschichtlich hinter ihnen verbirgt, geraten in Vergessenheit. Niemand kennt die Moosweiblein oder weiß, was es mit den Elwetritschen und Wolpertingern auf sich hat.

Und warum sollte man das wissen?

Fabelwesen verraten uns viel darüber, wie Menschen auf die Welt geblickt haben, wie sie mit alltäglichen Problemen umgegangen sind und wie sie sich ihre Umwelt vorgestellt haben. Sie sind ein Fenster in die Vergangenheit, durch das man Zugang zu geschichtlichen Themen finden kann.

Sehen Sie Parallelen zur Gegenwart?

Mythentage Hann. Münden, 14. bis 30. 10., Infos: forgottencreatures.de

Unsere Welt ist voller Fabelwesen, sei es auf Firmenlogos, in Fantasyliteratur oder die Mainzelmännchen im Zweiten. Die wenigsten Menschen heute glauben, dass draußen beispielsweise ein Einhorn herumläuft, aber sie sind Symbolträger und wir schreiben ihnen einen Wert zu. Die heutigen Möglichkeiten, unsere Umwelt wahrzunehmen und zu erklären, sind völlig andere. Trotzdem glauben auch heute Menschen an Übernatürliches und versuchen, Erklärungsmuster in ihrer Umwelt zu suchen. Den Wunsch nach einfachen Lösungen für individuelle Probleme müssen wir allerdings, angesichts populärer Verschwörungsmythen, kritisch betrachten.

Und veraltete Rollenbilder von „tapferen Recken und holden Maiden“ im Kinderprogramm zu propagieren, ist okay?

Die Märchenerzählerin, mit der wir kooperieren, versteht es, ein klassisches Bild zu nehmen, um es anhand moderner wie auch historischer Märchen auf den Kopf zu drehen, sodass man merkt: Nein, es ist nicht immer nur der Ritter, der tapfer ist, sondern es gibt auch die abenteuerlustige Königstochter oder einen Drachen, der gerettet werden will.