Schlagfertiger Konsul, hohle Phrasen: Pekings diplomatische Parallelwelt

Chinas Außenpolitiker zeigen beim Parteikongress, dass es im ideologischen Kosmos des Xi Jinping keinen Platz für Kritik oder Selbstreflexion gibt.

Chinas Parteiführer vor Hammer und Sichel und roten Fahnen

Chinas Partei- und Staatsführung mit Xi Jinping in der Mitte beim 20. Kongress in Peking Foto: Li Xueren/Xinhua/dpa

PEKING taz | Nur noch selten lassen sich die Realitäten in- und außerhalb Chinas noch in Einklang bringen. Doch an Tagen wie diesem stehen sie sich diametral entgegen: Im Ausland verärgern Chinas sogenannte Wolfskrieger-Diplomaten mit ihrem arrogant-auftrumpfenden Gehabe ihre Gastländer und hat das Reich der Mitte stark an Ansehen verloren. Bei Chinas Parteikongress hingegen übt man sich im Straußenblick: Da wird alles ignoriert, was die nationalistische Propaganda-Show stören könnte.

Am Donnerstag lud die Partei zur traditionellen Außenpolitik-Konferenz. Es sollte um Xi Jinpings Diplomatie „mit chinesischen Eigenschaften“ gehen. Tatsächlich gäbe es viel zu besprechen: etwa Chinas Loyalität zu Wladimir Putin trotz dessen Angriffskrieg in der Ukraine; der drohende Konflikt mit den USA oder die immer tieferen Gräben gegenüber Europa. Doch wer inhaltliche Aussagen erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Vielmehr zündeten Pekings Vertreter eine rhetorische Nebelgranate nach der anderen und warfen nur mit leeren Phrasen um sich. „Unsere Partei widmet sich einer harmonischen Weltgemeinschaft. Wir engagieren uns für eine gemeinsame Zukunft der Menschheit“, sagte etwa Vizeaußenminister Ma Zhaoxu.

Über seinen Parteichef sagte der loyale Apparatschik: „Generalsekretär Xi Jinping ist ein marxistischer Staatsmann und strategischer Denker mit herausragender politischer Weisheit, exzellenter theoretischer Weitsicht und einer profunden globalen Vision.“ Mehr noch: „Er erforscht tiefgehend die Zukunft der Menschheit“.

Xi Jinpings Charmversuche in vielen Ländern gescheitert

In Pekings Paralleluniversum geht fast unter, dass die diplomatischen Charme-Versuche Xis in vielen Ländern gescheitert sind: Laut Umfrage des Pew Research Center hat China im letzten Jahrzehnt in jedem europäischen Land stark an Beliebtheit eingebüßt. Noch stärker ist der Negativumschwung bei den Nachbarn Südkorea und Japan.

Das hat mit der aggressiv-nationalistischen und kontraproduktiven Wolfskrieger-Diplomatie zu tun, die Xi kultiviert hat. Auf Twitter verbreiten Chinas Botschafter wüste Verschwörungstheorien und obszöne Beschimpfungen des Westens.

Selbst Bilahari Kausikan, Ex-Spitzendiplomat aus dem freundlich gesinnten Singapur, kritisiert inzwischen: „Ich sehe nicht, wie durch die Wolfskrieger-Diplomatie Chinas Interessen vorangetrieben werden. Sie werden dadurch beschädigt.“

Erst am Sonntag sorgte Chinas Generalkonsul im britischen Manchester für einen Eklat, als er Protestbanner Hongkonger Demonstranten niederriss und auf einen von ihnen einprügelte. Am Donnerstag rechtfertige Zheng Xiyuan sein undiplomatisches Verhalten stolz damit, er hätte nur seine „Pflicht“ getan.

Wer als Diplomat so selbstbewusst und nationalistisch auftritt, wird unter Xi mit Beförderung belohnt.

Auch in Euro dominieren jetzt die Peking-kritischen Stimmen

Es ist kein Zufall, dass sich nach den USA auch in Europa Peking-kritische Stimmen durchsetzen. Derzeit arbeitet man etwa im deutschen Auswärtigen Amt an einer neuen China-Strategie, die deutlich mehr Kante erkennen lassen wird als zu Zeiten Merkels.

Jüngst erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, dass von China eine „weit erheblichere Bedrohung deutscher Sicherheit und Interessen“ ausgehe als von Russland. In Pekings Außenamt wurde all das nur als „Gerüchte“ abgetan.

Diese Haltung deckt sich mit dem, was europäische Diplomaten in Peking seit rund zweieinhalb Jahren beklagen: Dass sie mit inhaltlicher Kritik nicht mehr durchkämen – alles würde schlicht als Lüge oder Anti-China-Kampagne abgetan.

Kein Platz für unangenehme Fragen

Auch bei der Pressekonferenz am Donnerstag sorgte die Regierung dafür, dass sie sich mit unangenehmen Fragen gar nicht erst auseinandersetzen müsse. Alle Journalisten, die überhaupt in den Raum gelassen wurden, mussten ihre Fragen vorab einreichen. Dann wurden nur Propagandisten von Staatsmedien ans Mikrofon gelassen sowie zwei „freundliche“ Korrespondenten aus Syrien und Indonesien, die sich nach den „unzähligen internationalen Glückwünschen“ zum 20. Parteikongress erkundigen wollten.

Dabei täte die Chinas Regierung gut daran, würde sie auf ihre Vorgänger hören. Wen Jiabao, bis vor zehn Jahren Premierminister, sagte einst, China stehe nur eine helle Zukunft bevor, wenn man pluralistische Debatten und kritisches Denken fördern würde. Seine Worte wirken heute nicht nur wie aus einer weit entfernten Zeit, sondern scheinen regelrecht aus einem Paralleluniversum zu kommen.

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