Berlins Grünenchef zu Wahlwiederholung: „Auf alle Szenarien vorbereitet“

Auf in den Wahlkampf? Nein, erst abwarten, bis das Verfassungsgericht sein Urteil verkündet, sagt Grünenchef Philmon Ghirmai.

Richter des Verfassungsgerichts stehen im Hörsaal der FU

Sie erteilten Ex-Innensenator Geisel eine krasse Klatsche: Berlins Ver­fas­sungs­rich­te­r*in­nen Foto: dpa

taz: Herr Ghirmai, sind Sie schon im Wahlkampffieber?

Philmon Ghirmai: Nein. Das Berliner Verfassungsgericht hat am Mittwoch den Verantwortlichen für die Wahl ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Darüber kann sich keine politische Kraft freuen. Das Gericht hat eine vorläufige Rechtseinschätzung abgegeben. Wir haben Respekt vor dem Gericht und warten das finale Urteil ab.

Am Mittwoch klang das noch ganz anders: Da haben die Grünen scharf gegen den einstigen Innen- und heutigen Bausenator Andreas Geisel geschossen. „Ein mieseres Zeugnis kann ein Gericht den für die Wahl Verantwortlichen nicht ausstellen“, hieß es in Ihrer Mitteilung. Das haben viele als Wahlkampf interpretiert.

Das Gericht kommt zu der Einschätzung, dass das Wahlchaos das Vertrauen in die demokratischen Prozesse deutlich erschüttert hat. Um dieses Vertrauen wieder herzustellen, sei es notwendig, die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen für ungültig zu erklären und vollständig zu wiederholen. In seinen Ausführungen hat das Gericht klar benannt, wer die Verantwortung für das Wahlchaos trägt: zum einen die Landeswahlleiterin, zum anderen die Innenverwaltung.

Philmon Ghirmaiist seit Ende 2021 Co-Landesvorsitzender der Berliner Grünen. Zuvor führte er den Kreisverband Neukölln an.

Muss Geisel zurücktreten?

Die Rich­te­r*in­nen haben am Mittwoch sehr klar benannt, wer verantwortlich ist. Andreas Geisel selbst hat diese Verantwortung nie bestritten. Ich gehe davon aus, dass er sich seiner Verantwortung auch bewusst ist.

Das Dilemma der Grünen ist ja klar: Auf der einen Seite würden sie doch noch gerne ins Rote Rathaus einziehen und Franziska Giffey ablösen; auf der anderen Seite müssen die Grünen mit ihr zusammenarbeiten bis zur Wahlwiederholung und vielleicht darüber hinaus.

Wie gesagt: Keine politische Kraft kann sich über diesen Tag freuen. Das gilt auch für uns. Wir erleben eine Zeit der multiplen, sich überlagernden und zugleich sich verstärkenden Krisen. Sei es die sich zuspitzende Klimakrise, die Energiekrise oder die noch nicht überwundene Coronapandemie: Die rot-grün-rote Regierung steht in der Pflicht, an konkreten Lösungen und Hilfen zu arbeiten. Das Verfassungsgericht hat am Mittwoch bekräftigt: Das Parlament ist weiterhin arbeitsfähig und dessen Beschlüsse gültig. Wir müssen unserer gemeinsamen Verantwortung für Berlin weiterhin gerecht werden und ich hoffe, dass unsere Ko­ali­ti­ons­part­ne­r*in­nen mit uns dabei an einem Strang ziehen.

Aber das Ziel der Grünen ist doch schon, das Rote Rathaus bei der absehbaren Wahlwiederholung zu erobern?

Wir haben am Mittwoch eine vorläufige Einschätzung des Verfassungsgerichts bekommen, jetzt gilt es, das Urteil abzuwarten. Und es gilt jetzt, die drängenden sozialen und ökologischen Fragen und Herausforderungen entschieden anzugehen. Und das tun wir. Etwa mit dem Berliner Entlastungspaket. Wir entlasten mit dem 29-Euro-Ticket, das am 1. Oktober startet zielgerichtet die Berliner*innen. Uns ist es wichtig, die oftmals zusammenhängenden sozialen und ökologischen Fragen so zu lösen, dass die Lösungen uns durch diesen, aber eben auch den nächsten und übernächsten Winter bringen. Diesen Weg werden wir mit ganzer Kraft weitergehen.

Dass ein Wahlkampf kommt, ist aber doch absehbar. Was planen die Grünen? Werden die alten Plakate wieder rausgeholt?

Wir sind organisatorisch auf alle denkbaren Szenarien bestmöglich vorbereitet.

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