Trockenheit in den Niederlanden: Mangel an Trinkwasser droht

Die Trockenheit ist vorbei, ihre Folgen noch längst nicht: Die Wasserversorger der Niederlande schlagen Alarm und fordern sofortiges Eingreifen.

Boote an Anlegestelle stecken in Schlamm wegen Trockenheit

Nicht nur Häfen sind von der Trockenheit betroffen Foto: picture alliance/dpa/ANP | Jeroen Jumelet

AMSTERDAM taz | Das niederländische Trinkwassersystem droht in absehbarer Zeit die Grenzen seiner Kapazitäten zu erreichen. Davor warnt die Vereinigung der Wasserversorgungsunternehmen in den Niederlanden (Vewin) in einer Anfang dieser Woche veröffentlichten Analyse. Ohne zusätzliche Maßnahmen könnte dem Land, das weltweit für sein Wassermanagement bekennt ist, innerhalb weniger Jahre ein Mangel an Trinkwasser bevorstehen. “Alle finden es selbstverständlich, dass Wasser aus dem Kran kommt. Aber dem ist nicht so. Und das ist besorgniserregend“, zitiert das NRC Handelsblad den Vewin-Vorsitzenden Peter van der Velden.

Noch vor 2030, heißt es in dem Dokument, müssen alle zehn Betriebe zusätzliches Wasser produzieren, anders könnten sie ihrer gesetzlichen Pflicht der Trinkwasserversorgung nicht nachkommen. Wie brisant die Situation ist, zeigt die Tatsache, dass drei der Betriebe bereits jetzt auf zusätzliche Quellen oder Produktionsweisen von Trinkwasser angewiesen sind: Waterbedrijf Groningen im Norden, Dunea im Westen der Provinz Süd- Holland sowie Vitens, aktiv in mehreren Provinzen im Norden und Osten des Landes.

Gefordert wird daher, die bestehenden Quellen von Trinkwasser besser zu schützen und neue Quellen zu erschließen. Wasserbetriebe bräuchten zusätzliche Lizenzen für die Gewinnung, zudem müsste in neue Kapazitäten für Produktion, Säuberung und Verteilung investiert werden.

Ursachen für die drohende Notlage sind Trockenheit, die den Grundwasserpegel senkt, Versalzung, Verschmutzung sowie die stetig wachsende Nachfrage durch Bevölkerungswachstum, Wirtschaft und die Ausbreitung von Städten. Mit besonderer Sorge verweist das Dokument hier auf die Pläne der Regierung, bis 2030 900.000 Wohnungen zu bauen. Eine Karte zeigt, dass deren vorgesehene Standorte häufig mit den Regionen übereinkommen, in denen im selben Zeitraum Maßnahmen erforderlich sind, um die Sicherheit von Trinkwasser zu gewährleisten – ein Problem, auf das die Wasserversorgungsunternehmen schon vorher hinwiesen.

Verschmutzung beeinträchtigt Trinkwasserqualität

Das Beispiel zeigt, wie eng das Thema Trinkwasser grundsätzlich mit Fragen der räumlichen Ordnung und, im speziellen Fall der Niederlande, mit der seit Langem schwelenden Wohnungskrise zusammenhängt. Hinzu kommt das komplexe Verhältnis, in dem aktuelle und zukünftige (Grund-) Bedürfnisse zueinander stehen. “Kurzfristige Engpässe“ müssten daher auf eine Art behoben werden, die in die “langfristig gewünschte Transition des Wasser- Systems“ passen, was die Wasser-Betriebe vor ein Dilemma stelle.

Ausdrücklich gewarnt wird auch davor, dass zukünftigen Generationen durch landwirtschaftliche und industrielle Verschmutzung womöglich schlechtere Trinkwasserqualität bevorstehe.

Regional ist dieses Problem durchaus schon an der Tagesordnung. Der im Südwesten des Landes aktive Wasserversorger Evides etwa gewinnt sein Trinkwasser zu 90 Prozent aus dem Oberflächenwasser der Maas sowie dem Binnenmeer Haringvliet. Durch die jüngste Trockenperiode habe die Qualität abgenommen, denn in einem Fluss mit niedrigem Wasserstand seien darin verklappte verschmutzende Stoffe extra schädlich, so Managerin Maaike van de Ven im Sender Omroep Zeeland.

In der benachbarten Provinz Nord-Brabant präsentierte eine eigens eingerichtete Kommission Mitte September einen Bericht namens “Zonder water geen later (´Ohne Wasser kein Später`)“. Sie ruft zu einem radikalen und umgehenden Bewusstseinswandel bei Bür­ge­r*in­nen und Betrieben auf, um 2040 über ausreichend Grundwasser zu verfügen.

Ein strukturelles Problem

Die Vewin-Analyse unterstreicht nun, dass Trockenheit und ihre Folgen selbst in einem so wasserreichen Land wie den Niederlanden längst kein rein saisonales Problem mehr sind, sondern strukturell. Dass es nach dem dramatischen monatelangen Niederschlagsmangel dieses Sommers derzeit ausgiebig regnet, ändert daran nichts.

Das Gleiche gilt für die Ankündigung des Ministeriums für Infrastruktur und Wasserwirtschaft von letzter Woche: die Anfang August ausgerufene Warnstufe 2 – “tatsächlicher Wassermangel“ – wurde auf Stufe 1 – “drohender Wassermangel“ zurückgefahren. Das seither im Einsatz befindliche “Managementteam Wassermangel“ ist damit nicht weiter aktiv, wie Minister Mark Harbers dem Parlament schriftlich mitteilte.

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