Neues Album von Jens Friebe: Haltung bewahren

Zwischen Dandy und Handwerker: Der Berliner Popstar Jens Friebe veröffentlicht mit „Wir sind schön“ ein nüchternes und zugleich elegantes Album.

Jens Friebe in blauer Balalaika-Bluse und stark geschminkt

Multichecker Jens Friebe trägt Make-up und Balalaika-Bluse Foto: Max Zerrahn

Auf den Berliner Musiker und Schriftsteller Jens Friebe lässt sich mühelos neidisch werden. Denn dem 46-Jährigen gelingt nicht nur alles, sondern das auch noch mit Leichtigkeit. Ob Friebe Gitarre spielt und singt, Artikel für Feuilletons verfasst, ein Buch veröffentlicht oder in Unterhaltungen Bemerkungen fallen lässt – nichts davon scheint ihm Mühe zu bereiten.

Für diverse Zeitungen hat er neue Literatur und aktuelle Musik rezensiert, als würde F. Scott Fitzgerald seine Freizeit gestalten. Und als ein großer Verlag Friebe ein Angebot unterbreitete, arrangierte der Angefragte für einen Blog verfasste Essays und Kurzgeschichten zum unterhaltsamen, gedankenblitzenden Band „52 Wochenenden“.

Am nachdrücklichsten jedoch hat sich Friebe seit den Nullerjahren mit geschmackvollen, nüchtern arrangierten Popsongs, diesen handlichen Verbindungen aus Gedanken und Gesang, zu Wort gemeldet.

Weniger Macho kommt besser

Beim Komponieren lässt sich Friebe seit jeher von der Einsicht leiten, dass ein Mann nicht umso besser aussieht, je mehr Maskulinität – also eine stolz zur Schau gestellte Wortkargheit, die sich mit Monologen aus Angst vor einem Gespräch abwechselt – er raushängen lässt. Um diese Einsicht nachhaltig zu entfalten, benötigt Friebe eine Form, an der gearbeitet werden muss. Der Künstler findet sie, ­indem er sich für Aufnahmen mit dem apart nervösen Musiker­kollegen Chris ­Imler im Studio des Produzenten ­Berend Intelmann trifft.

Jens Friebe: „Wir sind schön“ (Staatsakt/Bertus)

Live: 25. 10.: Dresden, „Ostpol“, 26. 10.: Köln, „Subway“, 27. 10.: Hamburg, „Hafenklang“; wird fortgesetzt

Die dort entstehende Musik dokumentiert in Albumform eine Mischung aus Dandy-­Attitüde und Handwerkerehre. Friebes Lieder tun dabei verschmitzt so, als wollten sie erst mal gar nicht viel. Doch schnell lässt sich erkennen, wie gekonnt Friebe sie mit Bonmots und Charme ausgestattet hat.

Das gilt auch für das Stück „Microdoser“, welches das neue Werk „Wir sind schön“ eröffnet. Zu saumselig hingetupften Keyboard-Tönen, welche der Auftrieb von einem Ostinatobass und einem Handclap zur Wasseroberfläche drücken, singt Friebe so pointierte Konsumkritik, als hätte er sich von den frühen Fehlfarben anregen lassen: „Nimm, bis du bist, wie du willst.“

Keine Profilneurose

Die „Microdoser“ kann man sich danach als Menschen vorstellen, die sich schon lange vor dem Eintritt ins Berufsleben eine profilkompatible innere Haltung zulegen. Sie erlaubt ihnen, sich bestimmte Aussagen wie diese zu sparen: Wir sind froh, wenn wir gut bezahlte Jobs kriegen. Vielmehr können die Microdoser umgekehrt verkünden: Die gut bezahlten Jobs können froh sein, dass wir sie machen. Wie dieses so intakte Selbstbewusstsein entsteht, besingt Friebe bezeichnend: „Sie stellen sich ein.“

Das folgende Titelstück „Wir sind schön“ baut auf vollmundigen Klavierakkorden auf. Friebe klingt darauf wie ein unwiderstehlich wütender Rio Reiser. Bloß, dass der Traum von der Gesellschaftsveränderung bei Friebe im Gegensatz zu Reiser nicht aus ist, sondern gleich anfängt, indem er Funkhäuser besetzt, um sich von dort selbst in den Äther zu schicken: „Und wir nehmen die rostigen Säbel von den Wänden. Und wir rennen in die Sender, aus den Kellern in die Höhen“.

Der mit viel Hall und den Chorstimmen von Elektrik-Diva Malonda und Pola Lia Schulten ergänzte Refrain „Wir sind schön“ ist großes Kino. Es hört sich tatsächlich so an, als hätten Ton Steine Scherben Tipps von Phil Spector bekommen.

Auf die Revolution folgt “Am Ende aller Feiern“ allerdings eine private Trennung. Dieses Ende und die Beziehung davor wird mit einem Schwung skizziert, als wäre Friebe die Feder von Mascha Kaléko geführt worden: „Wir haben uns alles erzählt. Nur zuletzt wollt' ich nicht alles wissen. Ich glaube, das hast du gemerkt und mich zum Abschied gebissen“.

Anschließend kandidelt Friebe herrlich über, indem er Tonleitern rauf und runter singt und sich das Klavier nun wie ein hysterisch lachendes Cembalo aufspielt. Klangfarbenfrohe Dekadenz liegt da in der Luft. Stolz und Verletztheit versuchen mit ihrem Gewicht ihre jeweilige Waagschale auf den Boden zu drücken.

Auf „Wir sind schön“ ist musikalisch und lyrisch eine Menge los. Das hat zu einem Text über einen Berliner Sänger geführt, in dem sich berühmte Namen womöglich zu sorglos verteilen. Aber das liegt an Jens Friebe. Denn „Wir sind schön“ ist sein bis dato bestes Album.

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