Fridays for Future in Berlin: Wütend und ausgelassen
Zehntausende Menschen demonstrieren am globalen Klimastreiktag in Berlin. Es sind viel mehr als erwartet.
BERLIN taz | Es sind Hunderte von Menschen, die an diesem Freitagmittag in Richtung Invalidenpark in Mitte strömen. Sie tragen Schilder mit Aufschriften wie „Ändere die Welt. Sie braucht es“ und „There is no Planet B“. Es sind Schüler*innen, Senior*innen, Lehrer*innen, viele andere: Sie alle sind auf dem Weg, um sich der Kundgebung und dem anschließenden Demozug von Fridays for Future (FFF) anzuschließen.
Sina Nowikow ist eine von ihnen. „Ich will meinen Kindern keine Zukunft im Chaos überbringen“, sagt sie. Es gäbe leider noch genug Menschen, die ihr Eigenwohl über das ihrer Kinder stellen würden.
8.000 Menschen waren bei der Polizei für die Versammlung im Rahmen des globalen Protesttags angemeldet. Doch es kommen mehr: Bald drängen sich Tausende vor einem aufgebauten Podium, verteilen sich bis auf die angrenzenden Straßen. Die Polizei spricht am Ende von mehr als 20.000 Personen. Fridays for Future hingegen nennt am Nachmittag die Zahl von 36.000.
In der Mittagssonne beginnt das Programm der Aktivist*innen auf dem Platz. Für die nächste Stunde werden hier vor allem Reden gehalten, Musiker*innen treten auf. Auf dem Podium sprechen bekannte Personen wie Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer und der Autor Marc-Uwe Kling.
Die Aktivist*innen von FFF haben klare politische Positionen für diesen Streik formuliert. „Wir fordern ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro von der Bundesregierung für mehr Klimasicherheit, etwa durch kostenlosen ÖPNV, sowie Reparationszahlungen an jene Länder, die schon jetzt besonders unter der Klimakrise leiden“, sagt Darya Sotoodeh, Sprecherin von FFF, die neben dem Podium steht. „Die Länder, die heute am stärksten unter der Klimakrise leiden, müssen entschuldet werden.“ Ihre Begründung: Viele litten unter den unverhältnismäßig hohen Emissionen der Länder des globalen Nordens und jahrhundertelanger kolonialer Ausbeutung.
Die Ungerechtigkeiten hängen zusammen
Antonia Friedrich bleibt an diesem Tag der Schule fern, gemeinsam mit ihrem Kurs ist sie zum Klimastreik gekommen. Es sei ihr wichtig, heute hier zu sein und darauf aufmerksam zu machen, dass alle Ungerechtigkeiten irgendwie zusammenhängen, sagt die Demonstrantin, und spielt damit auf die globale Klimaproblematik an.
Auch in der Menschenmenge geht es aktivistisch hoch her. Vor allem das Volksbegehren Berlin 2030 klimaneutral hat an diesem Freitag viele Unterschriftensammler*innen vor Ort und versucht, neue Unterstützer*innen zu mobilisieren. Streiktage wie diese würden zeigen, dass die Klimabewegung in Berlin riesig sei und es eigentlich kein Problem sein sollte, genug Unterschriften für ein klimaneutrales Berlin zu sammeln, sagt ein Redner.
Nach gut einer Stunde sind die Aktivist*innen durch mit der Startkundgebung, die Menge wärmt sich mit dem lauten Rufen von Demoparolen weiter auf. Von hier wird der Demozug durch das Regierungsviertel laufen und später für die Schlusskundgebung zum Invalidenpark zurückkommen. „Es läuft alles nach Plan. Ich bin begeistert, wie viele Menschen hier sind“, sagt Sotoodeh.
Die Stimmung in der Menge der Demonstrierenden ist aufgeladen: Einerseits sind viele wütend auf die Politik und sich nicht bessernde Umstände, andererseits ausgelassen, was sich in lautem Jubel als Reaktion auf Redebeiträge zeigt. „Gerade jetzt nach Corona ist es so wichtig, dass wir alle wieder sehen, dass wir viele sind“, sagt Demonstrantin Seyna Diene.
Leser*innenkommentare
Capitan Ituarte
Herrliches Spätsommerwetter in D, deshalb
soviele Leute bei der Demo.
adagiobarber
früher war mehr lametta ...
und früher war auch weniger.
kehren wir also zurück zum wohlstand der anfang siebziger jahre.
was hält uns davon ab.
nun.
das ziel von fff ist nicht eine begrenzung unseres konsums.
er soll auf gleichem niveau bleiben. allerdings mit anderen energien versorgt.
irgendwie auch weltfremd.
neu_mann
FFF hat immer sich schon vor der BTW von den Grünen abgegrenzt.
Die Grünen haben ja durchaus nicht das engagierteste Programm zur Abstimmung vorgelegt.
Das die Partei dann mit 18% und mehreren zentralen Ministerposten davon praktisch garnichts umsetzt und sogar unter dem Vorwand des Ukraine Krieges einen fossilen und nuklearen Rollback durchsetzt, hätte aber sicherlich trotzdem niemand erwartet.
Anna-Lena Baerbock hat dagegen ihre Versprechen gegenüber der urkainischen Bevölkerung bekräftig; auch zulasten der eigenen Wählerschaft.
Denen hat sie lediglich geraten, sie in 4 Jahren wieder abzuwählen, wenn ihnen diese Politik nicht passt.
Genau das werden wir auch tun, Fr. Baerbock. Es reicht.