Debatte um Hundegesetz in Hamburg: Gehören manche Rassen verboten?

Nach einer tödlichen Beißattacke untersagte Hamburg das Halten bestimmter Rassen grundsätzlich. Richtig so? Ein Pro und Contra.

Ein Hundekopf hinter einem Gitterzaun

Ist in Hamburg in der Kategorie „gefährlich“ eingeordnet: Staffordshire Bullterrier Foto: Axel Heimken/dpa

Ja,

Hamburg sollte sein Hundegesetz behalten. Auch wenn es traurig ist, wenn Hunde ins Tierheim kommen, bloß weil sie auf einer Liste stehen. Am Sonntag, so berichtet das Abendblatt, wollen Tierfreunde gegen das Gesetz demonstrieren, das eine Reihe von Hunderassen als gefährlich einstuft. Denn es sei nicht eine Rasse aggressiver als andere, das Problem liege bei den Haltern. Weshalb Tierschutzorganisationen alternativ einen Hundeführerschein vorschlagen.

Das Gesetz ist die Folge des Todes des kleinen Volkan, der im Jahr 2000 von zwei Pitbull-Mischlingen zerfleischt wurde. Es stuft alle Hunde als gefährlich ein, die eine erhöhte Aggressivität zeigen, Menschen drohend anspringen oder beißen.

Die Geschichte mit dem toten Kind hätte sich Anfang Juni fast wiederholt, als ein American Staffordshire Terrier-Mischling, der schon mal ein Kind gebissen hatte, ein zweijähriges Mädchen lebensgefährlich verletzte. Dass es dazu kam, lag wohl am Umgehen von Regelungen und missglückter Kontrolle, aber im Prinzip hatten die Behörden die Gefährlichkeit auf dem Schirm.

Wurde ein Mensch von einem Hund gebissen, bleibt die Angst ein Leben lang. Hunde, die gefährlich aussehen oder als gefährlich gelten, lösen bei Betroffenen auf der Straße Furcht und Stress aus. Das muss bedacht werden, wenn wir über Lockerungen reden.

Ob ein Mensch, der so einen Hund spazieren führt, dafür einen Führerschein hat, sieht man nicht. Dass so ein Schein zu einer Verhaltensänderung führt, ist nicht garantiert: kann sein, kann aber auch nicht sein. Auch wenn es nur die Menschen sind, die die Tiere aggressiv erziehen und nun mal bestimmte Arten bevorzugen, rechtfertigt das diese Form der Gefahrenabwehr.

Hinzu kommt, dass die Zahl der Beißvorfälle seit Inkrafttreten des Gesetzes 2006 stark zurückgegangen ist. Mit Erlaubnis der Behörden kann ja auch ein Teil dieser „Listenhunde“ weiter gehalten werden: Die Halter müssen nachweisen, dass sie mit den Hunden umgehen können und sie mit Leine und Maulkorb führen; einige Hunde müssen den Wesenstest bestehen. Die Stadt weist darauf hin, dass es bei solchen Hunden trotz des Wesenstests zu Beißvorfällen kommt, was für die Beibehaltung der Vorsicht spricht.

Die Idee des Hundeführerscheins ist gut. Er könnte zusätzlich kommen. Viel hilft viel. Kaija Kutter

Nein,

denn dass bestimmte Hunderassen vermehrt zu aggressivem Verhalten neigen, ist nicht belegt. Im Gegenteil: Einer groß angelegten Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover zufolge ist die Aggressivität eines Tieres von den Hal­te­r:in­nen und der entsprechenden Hunde-Erziehung abhängig. Das sogenannte „Scharfmachen“ eines Hundes ist mit jeder Rasse möglich – auf Kommando zubeißen, hetzen oder jagen kennt man von Schäferhunden bei der Polizei, aber auch von Dackeln bei der Jagd.

Das bestätigt auch die Hamburger Beißstatistik: Angeführt wird sie 2021 vom Jakutischen Laika, einer Schlittenhunderasse, gefolgt von Pitbull-Mischlingen, Staffordshire Terriern, Tatra-Schäferhunden und einer österreichischen Jagdhunderasse. Bei all diesen Rassen hat es im vergangenen Jahr jeweils einen Beißvorfall gegeben. Diese Rassen liegen statistisch vorn, weil der eine Biss auf sehr wenige Tiere kommt. Australian Shepherds etwa haben neunmal zugebissen.

Der Senat hat vier dieser Rassen für gefährlich erklärt und verboten. Wegen ihrer körperlichen Eigenschaften werden sie noch immer in illegalen Kämpfen genutzt. Es sollte also danach gefragt werden, wer diese Hunde überhaupt besitzt. In zwei Dritteln aller Hamburger Biss-Fälle in 2021 sind die Hunde zudem nicht vorschriftsmäßig angeleint gewesen.

In Ihrer Dissertation erkennt Veterinärmedizinerin Kathrin Roiner eine Korrelation zwischen der Biss-Häufigkeit und der Besiedlungsdichte. Was große Hunde in der Großstadt verloren haben, kann also bezüglich jedweder Rasse hinterfragt werden.

Das Risiko, Opfer eines tödlichen Hundebisses zu werden, ist im häuslichen Umfeld höher als in der Öffentlichkeit. Laut dem Internetportal Statista liegt das daran, dass es sich meist um vertraute Hunde handelt. Hauptursache für tödliche Beißvorfälle sei die mangelnde Fähigkeit, das Verhalten des Hundes zu deuten. In den meisten Fällen bissen Hunde zu, weil sie Angst hätten, beim Fressen gestört oder erschreckt würden.

Es wäre sinnhafter, Hal­te­r:in­nen jedweder Rasse in die Verantwortung zu nehmen, anstatt pauschale Urteile auf Basis nicht belegter Haltungen zu treffen. Ein theoretischer und ein praktischer Sachkundenachweis sollten Pflicht werden! Marco Fründt

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

Freier Journalist. Studierte Politik- und Erziehungswissenschaften in Bielefeld und Thessaloniki. Derzeit Studium der Neogräzistik in Berlin.

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