„Leider war es keine angenehme Erfahrung“

„Es war nicht ganz so einfach, wie wir uns das vorgestellt haben“, muss Joachim Meyer zugeben. Seine Frau und er haben Ende Februar das freie Zimmer in ihrer Wohnung einem Geflüchteten aus der Ukraine zur Verfügung gestellt.

Das Ehepaar hatte ihre Bereitschaft auf der Website einer privaten Hilfsorganisation registriert. Kurze Zeit später wurden die Meyers um 3 Uhr nachts angerufen und gefragt, ob sie jemanden aufnehmen können. Eigentlich wollten sie eine Frau, vielleicht mit einem Kind, aufnehmen. In der Nacht wurde eine Unterkunft für einen alleinstehenden blinden Mann gesucht. Spontan sagten die Meyers zu. Die Freiwilligen, die die Unterkunftsvermittlung organisiert haben, brachten den Mann noch in derselben Nacht zu den Meyers.

„Wir haben ihn als Familienmitglied aufgenommen“, berichtet Joachim Meyer. Sie haben gemeinsam gegessen und sich viel unterhalten. In ihrer Freizeit haben die Meyers ihren Gast bei Arztbesuchen und Behördengängen unterstützt und das Zusammenleben organisiert. Das Privatleben des Ehepaars blieb dabei etwas auf der Strecke, erzählt der IT-Berater.

„Leider war es keine angenehme Erfahrung“, reflektiert Herr Meyer das Zusammenleben. Der Ukrainer hatte psychische Probleme, war sehr aggressiv und hatte Schwierigkeiten, mit der eigenen Blindheit umzugehen. So die Schilderung des Gastgebers. Immer wieder hat er sich schwere Platzwunden zugezogen, weil er in der unbekannten Wohnung gegen Türklinken und Möbelecken stieß. Hilfsangebote der Meyers lehnte ihr Gast ab.

„Es wurde von Tag zu Tag schlimmer“, erzählt Herr Meyer. Eines Tages drohte der Gast mit Selbstmord, weil es nicht so lief, wie er es erwartet hatte. Da haben die Meyers gemerkt, dass ein sicheres Zusammenleben nicht mehr möglich ist. Sie riefen bei der Hilfsorganisation an, die ihnen den Kontakt vermittelt hatte. Die haben die Abholung und eine alternative Unterbringung des Mannes organisiert. Insgesamt hat der Ukrainer eine Woche bei den Meyers gelebt.

„Man sollte da nicht blauäugig rangehen“, rät Herr Meyer. „So eine Aufnahme und Betreuung ist ganz schön anstrengend.“ Er meint, dass jemand, der:­die so was macht, sich sehr gut überlegen solle, ob er:­sie sich das finanziell und zeitlich leisten kann.

Trotz der schwierigen Erfahrung würden die Meyers noch mal Menschen aus der Ukraine bei sich aufnehmen. „Allerdings diesmal wirklich nur eine Frau mit ein bis zwei Kindern und auch nur für eine begrenzte Zeit.“ Ihre Bereitschaft haben die Meyers auch den zuständigen öffentlichen Stellen ihrer Kommune über eine Website mitgeteilt. „Von denen haben wir nicht einmal eine E-Mail erhalten, dass die Registrierung Erfolg hatte“, berichtet Herr Meyer. Marita Fischer