Gefahren für die kritische Infrastruktur: Willkommen im hybriden Krieg

Nach der Zerstörung der Gasleitungen in der Ostsee dämmert es dem Westen: Lebenswichtige Adern wie Pipelines oder Internetkabel sind schlecht geschützt.

Blasen und Strudel auf der Wasseroberfläche über einem Gasleck in der Ostsee

Gaslecks in der Ostsee, verursacht durch Sabotage der Nordstream-Pipelines. Auch Unterseewasserkabel sind in Gefahr Foto: Rune Dyrholm/dpa

Russland setzt die Zeichen für die nächste Eskalationsstufe im Angriffskrieg auf die Ukraine. Scheinreferenden, Abstimmungen unter Gewaltandrohung, die Annexion besetzter Gebiete. Die Verschiebung der Grenzen der Ukraine wird in einer absurden Zeremonie fixiert. Und: Der Krieg zeigt erneut die Verletzlichkeit des Westens.

International werden die Folgen des Krieges in ihren feinsten Verästelungen offenbar jetzt erst den politischen Ent­schei­de­r:in­nen klar. Ein echtes Erweckungserlebnis. Jahrelang wurden technische wie energiepolitische Abhängigkeiten bewusst geschaffen. An einen doppelten Boden oder eine Exitstrategie hat keiner gedacht. Oder – so der ernüchternde Verdacht: Fallstricke wurden wissentlich eingepreist. Der Krieg trifft die EU, die globalisierte Welt an ihren neuralgischen Punkten.

Bestes Beispiel sind die vier Lecks an den beiden Ostsee-Pipelines. Noch ist unklar, wer für den mutmaßlichen Sabotageakt verantwortlich ist, vermutlich wird auch nie eine eindeutige Aufklärung möglich sein. Aber: Unsere kritische Infrastruktur ist in höchstem Maße anfällig. Vulnerabel – wie etwa Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kleinlaut zugeben muss. Und sie schiebt hinterher: Man müsse sich auf bisher nicht denkbare Szenarien vorbereiten.

Der Aufruhr über die ach so überraschende Erkenntnis ist groß. Hybride Kriegsführung ist kein Wortgeplänkel. Kein Begriff, den Po­li­tik­wis­sen­schaft­le­r:in­nen nutzen, um Kriegstheorien zu prüfen. Dieser Krieg zeigt in einer Finesse, dass Krieg nicht nur an den Frontlinien, Sol­da­t:in gegen Sol­da­t:in, stattfindet. Nein, gekämpft wird im digitalen Raum, in Meerestiefe, an den Pipelines. Wer auch immer zum Täterkreis gehört, hat mit der Sabotage ein schmerzliches Signal gesetzt.

Warnungen wurden überhört

In den Fokus rücken nun die Unterseewasserkabel, über die zu großen Teilen unsere globale Kommunikation läuft. Der Schutz auch dieser kritischen Infrastruktur wurde offenbar nicht mitgedacht. Jetzt folgt die bittere Einsicht, dass Gefahrenabwehr für die Leitungen kaum möglich ist. Größte Hürden sind das Gerangel um Zuständigkeiten und hochsensibles Gerät zur Überwachung. Die skandinavischen Länder, aber auch Geheimdienste warnten vor Attacken. Gehört wurden sie nicht. Auch das ist bitter.

Der Westen, auch die Bundesregierung, setzte bisher keine Priorität für das Thema. Ein Versäumnis, das auch auf eine falsch eingeschätzte Bedrohungslage zurückzuführen ist. Hier bedarf es einer dringenden Korrektur: Unsere kritische Infrastruktur, Basis für Wirtschaft, Kommunikation, unsere Gesellschaft, ist Ziel dieses Krieges.

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Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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