Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Der Begriff stammt aus der Naturwissenschaft, hat sich aber längst als Synonym für intensivierte bürgerliche Formen der Freundschaft eingebürgert, wobei diese Intensivierung mitunter auch durchaus erotisch gedacht ist. Und als Gesellschaftsersatz. Geprägt wurde das schöne Wort „Wahlverwandtschaften“ durch einen Roman dieses Titels, der vor genau zweihundert Jahren erschien und dessen Autor kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe ist. Anhand einer mit naturwissenschaftlicher Präzision durchgeführten Versuchsanordnung lässt Goethe vier Menschen aufeinandertreffen und sich so nahe kommen, dass ihre Seelen chemisch miteinander reagieren, ein Kind entsteht und wieder ums Leben kommt. Die 1975 geborene Schweizer Regisseurin Barbara Weber, seit einem Jahr Kodirektorin des Zürcher Neumarkt Theaters, bringt am Samstag im Maxim Gorki Theater ihre Theaterfassung des Romans heraus. Um eine Versuchsanordnung handelt es sich auch bei der Eröffnungspremiere der Volksbühne, die umbaubedingt am Mittwoch im Prater stattfindet und den schönen Titel „Gute Nacht, du falsche Welt“ trägt. Als Autoren zeichnen so unterschiedliche Kräfte wie der Mozartlibrettist Emanuel Schikaneder, Alexander Puschkin und Gero Troike, der auch der Regisseur des Abends ist. Grob zusammengefasst geht es um einen Autounfall, bei dem unter anderem ein Dichter ums Leben kommt, um den neidischen Komponisten Antonio Salieri, der so gerne Mozart gewesen wäre, und manch anderes Verschrobenes aus den künstlichen Welten der Kunst, die man so oft mit dem Leben durcheinanderbringt. In die deutschen Abgründe wagt sich ab Sonntag die Schaubühne, wo Marius von Mayenburg seine Sicht auf das deutsche Trauerspiel eines Bauernsohns aus Dithmarschen, Friedrich Hebbels „Die Nibelungen“, zeigt.

■ „Die Wahlverwandtschaften“: Maxim Gorki Theater, ab Sa.

■ „Gute Nacht, du falsche Welt“: Volksbühne im Prater, ab Mi.

■ „Die Nibelungen“: Schaubühne am Lehniner Platz, ab So.