Abwehrchef mit Gespür

Beim torlosen Remis gegen Tottenham Hotspur ragt bei Eintracht Frankfurt wieder der schon 38-jährige Makoto Hasebe heraus. Wie macht er das nur?

„Wie er Harry Kane bearbeitet hat, das war großartig“: Eintracht-Trainer Glasner ist von Hasebe (r.) begeistert Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

Aus Frankfurt Frank Hellmann

Ein Klub wie Tottenham Hotspur hat eine Reihe gestählter Gestalten in seinem Kader. Das Nachspiel in der Frankfurter Arena bot einen sichtbaren Beleg dafür. Gleich neben der Gästekabine hatten die englischen Fitnesstrainer einen Parcours aufgebaut, in dem die Ersatzkräfte nach der Nullnummer bei Eintracht Frankfurt ächzten und stöhnten. Auch sie sollten sich noch körperlich betätigen, weshalb sie unter zackigen Kommandos fleißig Gewichte stemmten, Kniebeugen machten oder Sprints auf dem schwarzen Teppichboden anzogen.

Makoto Hasebe befand sich zu diesem Zeitpunkt längst unter der Dusche, ersparte sich auch den obligatorischen Besuch der Mixed Zone, um mit seinem japanischen Landsleuten zu sprechen. Was hätte der herausragende Akteur eines intensiven Champions-League-Gruppenspiels noch sagen sollen, nachdem so viele Elogen auf ihn eingeprasselt waren? Eintracht-Trainer Oliver Glasner bescheinigte dem 38-Jährigen eine „Weltklasseleistung“, denn: „Wie er Harry Kane bearbeitet hat, das war großartig.“ Der TV-Experte Matthias Sammer kam im Frankfurter Stadtwald zu derselben Einstufung: „Weltklasse“.

Dass der hessische Bundesligist einem Topklub der Premier League auf Augenhöhe begegnete; dass die Tottenham-Offensive mit dem südkoreanischen Idol Heung-Min Son, dem brasilianischen Nationalspieler Richarlison und dem englischen Rekordtorjäger Kane nur einen einzigen Schuss aufs Tor abgab, hatte ursächlich mit Frankfurts umsichtigem Abwehrchef zu tun, der instinktiv immer das Richtige tat.

Hasebe war dank seinem enormen Zweikampfgeschick und seinem intelligenten Stellungsspiel in der Lage, auch mit bald 39 auf höchstem Niveau mitzuhalten. „Makoto hat eine außergewöhnliche Qualität“, lobte Sportvorstand Markus Krösche, der auch dessen konstruktive Beiträge nicht unterschlug: „Im Ballbesitz hat er uns viel Ruhe und Sicherheit gegeben. Er hat wieder bestätigt, wie wichtig er für die Mannschaft ist.“

Anfangs der Saison hatte es für den Musterprofi jedoch nur zu Kurzeinsätzen gereicht, seit aber die Nummer 20 wieder den Stabilitätsanker und Ruhepol gibt, hat die Eintracht in vier Partien lediglich ein Gegentor kassiert. Bei seinem ersten Startelfeinsatz bei Olympique Marseille (1:0) half Hasebe mit, die Null zu halten, womit in dieser Gruppe für den Europa-League-Sieger weiter alles möglich ist.

Der Routinier führt in seinem Repertoire überdies eine gesunde Härte und hohe Grundaggressivität, was bei internationalen Vergleichen sehr hilft. So forderte er Richarlison bei einem Faller im Strafraum gestenreich auf, schnell wieder aufzustehen; so stritt er sich am Boden liegend wortreich mit Kane.

„Im Ballbesitz hat er uns viel Ruhe und Sicherheit gegeben. Er hat bestätigt, wie wichtig er für die Mannschaft ist“

Markus Krösche, Sportvorstand

Schon oft hat der 114-fache japanische Nationalspieler, der nach dem WM-Achtelfinalaus 2018 aus der Auswahl zurücktrat, die nun am 23. November in Katar das erste WM-Spiel gegen Deutschland bestreitet, verraten, wie gut seinem Körper warme Bäder tun. Im Frühjahr meist revidiert er seinen Entschluss, die Karriere zu be­enden.

Aus Sicht von Torhüter Kevin Trapp solle der Senior des Teams ruhig weitermachen, denn: „Er wird nie unsicher.“ Hier kommt ihm seine Erfahrung als Mittelfeldspieler zugute: Als Hasebe im Januar 2008 von Felix Magath zum VfL Wolfsburg geholt wurde, spielte er meist dort, wo die größte Handlungsschnelligkeit gefragt. Doch inzwischen ist die Rolle als zentrales Glied einer Dreierkette für ihn wie maßgeschneidert, obgleich er nie in die Versuchung gerät, sich wie ein Libero alter Prägung fallen zu lassen.

Im Gegenteil: Da spürt einer genau, wann er rausrücken muss. Vermutlich aber nicht im nächsten Pflichtspiel. Für die Bundesligapartie beim VfL Bochum (Samstag), die dem Champions-League-Rückspiel in London (Mittwoch) vorgeschaltet ist, deutete Glasner bereits an, dem Alterspräsidenten der Liga mal eine Auszeit zu gönnen. Hasebe habe zwar „wie ein Jüngling“ gespielt, „aber es kann sein, dass er mal pausiert.“ Denn: „Wir brauchen ihn in Tottenham.“ Topfit gegen die gestählten Gestalten.