Straßenszene

Stadthalle von Cottbus Foto: Dagmar Morath

AfD will erste Großstadt regieren:In Deutschland ganz rechts

Im brandenburgischen Cottbus wird am Sonntag der Oberbürgermeister gewählt. Und die AfD hat Chancen, künftig den Rathauschef zu stellen.

Ein Artikel von

6.10.2022, 12:16  Uhr

Ein Montagabend in Cottbus. Fast 2.000 Menschen ziehen unter „Wir sind das Volk“-Rufen durch das Zentrum der Stadt. Ein Verein mit dem beziehungsreichen Namen „Zukunft Heimat“ hat unter dem Motto „Für ein bezahlbares Leben“ zu den Protesten in der brandenburgischen Großstadt, nicht weit von der deutsch-polnischen Grenze gelegen, aufgerufen. „Meine Gasrechnung hat sich verdoppelt. Und die ganzen Messerstechereien werden einfach unter den Teppich gekehrt!“, schlägt ein Teilnehmer mit kurzen grauen Haaren den Bogen von den Energiepreisen zum Kernthema der AfD, „In diesem Land läuft etwas grundsätzlich falsch.“

In wenigen Tagen, am 9. Oktober, wird in Cottbus ein neues Stadtoberhaupt gewählt. Doch mit den Teil­neh­me­r:in­nen­zah­len der Montagsdemos wächst auch die Angst in der Stadt, die Wut über die steigenden Energiepreise könnte der AfD den lang ersehnten Wunsch erfüllen, erstmals einen Oberbürgermeister in einer deutschen Großstadt zu stellen. In den aufwendig produzierten Wahlwerbespots träumt AfD-Kandidat Lars Schieske von einem „Domino-Effekt“, der sich auf andere Städte ausbreiten werde.

Obwohl sich der Protest am Montagabend vorgeblich gegen die steigenden Lebenserhaltungskosten richtet, ist unverkennbar, wer hier den Ton angibt. „Unser Volk zuerst“, steht in weißen Buchstaben auf dem roten Fronttransparent, getragen von jungen, mit schwarzen FFP2-Masken im Gesicht versehenen Aktivisten. Personen, deren Gesinnung durch das Tragen einschlägiger Szenemarken erkennbar ist, laufen einträchtig neben vor allem älterem, bürgerlichem Publikum. Vereinzelt sind Reichskriegsflaggen zu sehen, andere Schilder fordern „Nordstream 2 öffnen“ und „Frieden mit Russland“.

Im ersten Wahlgang am 11. September konnte AfD-Mann Schieske 26,4 Prozent der Stimmen abräumen – ein deutlicher Abstand hinter dem Sozialdemokraten Tobias Schick, der mit 31,8 Prozent gewann. Aber das könnte nicht deutlich genug gewesen sein, um von einem sicheren Sieg des SPD-Kandidaten in der Stichwahl am kommenden Sonntag ausgehen zu können.

SPD-Mann Schick liegt vorne – aber reicht es?

Wenige Tage nach der Demonstration erscheint Tobias Schick zum Gespräch in einem Café in der Nähe des Hauptbahnhofs. Der 42-Jährige ist hochgewachsen, trägt einen lockeren Sweater und den von den Wahlplakaten bekannten Dreitagebart. Beim Betreten des Cafés grüßt der SPD-Kandidat demonstrativ die Menschen am Nachbartisch. Schick vermittelt nicht den Eindruck eines abgeklärten Berufspolitikers, sondern eher des freundlichen Typs, den hier jeder kennt. Vor seiner Kandidatur war Schick jahrelang Geschäftsführer des Sportbundes.

Rein rechnerisch sollte sein Wahlsieg eigentlich kein Problem sein, zumal die nach dem ersten Wahlgang ausgeschiedenen Kandidaten von CDU und FDP sich für Schick starkmachen. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Neben der ungewissen Dynamik der Sozialproteste ist es vor allem die niedrige Wahlbeteiligung, die Sorgen bereitet. Im ersten Wahlgang gingen nur rund 53 Prozent zu den Urnen, im zweiten könnten es noch weniger werden.

Tobias Schick, sozialdemokratischer OB-Kandidat

„Viele sagen, Tobias, du bist okay, aber SPD können wir eigentlich gerade nicht wählen“

Schick bestellt Kartoffeln mit Quark – es ist Endspurt im Wahlkampf, Mittagspause und Interview müssen da schon mal zusammengelegt werden. Nach dem Termin gehe es weiter zu Türgesprächen in zwei von der AfD dominierte Stadtteile, sagt er. Wie der Wahlkampf bisher so laufe? „Man muss die Nerven bewahren“, seufzt Schick. In den Gesprächen spüre er gerade den Ärger über die steigenden Energiekosten deutlich. „Viele sagen, Tobias, du bist okay, aber SPD können wir eigentlich gerade nicht wählen“

Portrait

Tobias Schick (SPD) liegt bei der Wahl vor dem AfD-Kandidaten Foto: Dagmar Morath

Die steigende Inflation und Vervielfachung der Gas- und Strompreise infolge des Ukrainekriegs birgt in einer Region, in der das Renten- und Lohnniveau nur rund 85 Prozent des Bundesdurchschnitts entspricht, viel sozialen Sprengstoff. Das 200 Milliarden schwere Maßnahmenpaket zur Abfederung der sozialen Folgen, das an diesem Morgen bekanntgegeben wird, helfe da wenig. „Es dauert, bis das Gesetz wird“, fürchtet Schick, „die Zeit haben wir nicht.“

Doch wie konnte es so weit kommen, dass ein AfD-Mann in einer deutschen Großstadt realistische Chancen auf den Posten des Oberbürgermeisters hat?

Lars Schieske, OB-Kandidat der AfD

„Cottbus von den Bonzen zurückholen“, von „Ausländern“, die „immer frecher werden“

Lars Schieske gelang es schon bei den Landtagswahlen vor drei Jahren, ein Direktmandat zu holen. Der Mitvierziger gilt selbst in der rechten Partei als ganz besonders extrem. Mehrmals trat der Berufsfeuerwehrmann als Anmelder von Montagsdemonstrationen auf. In einer Postwurfsendung in dem Plattenbauviertel Sachsendorf sprach Schieske davon, „Cottbus von den Bonzen zurückzuholen“, von „Ausländern“, die „immer mehr“ und „immer frecher werden“ und von „uns normalen Deutschen“, die sich abends nicht mehr auf die Straße trauen würden.

Unwahrscheinlich also, dass der Wahlerfolg der AfD mit dem vermeintlichen Charisma ihres Kandidaten zusammenhängt – zumal die Partei bei der Bundestagswahl mit anderen Kandidaten ganz ähnliche Ergebnisse in der Region eingefahren hat.

Hunderttausend unterwegs

Die Proteste gegen hohe Energie­preise und die Folgen des von Russland geführten Kriegs gegen die Ukraine gewinnen in Ostdeutschland Zulauf. Mehr als 100.000 Menschen demonstrierten nach Schätzungen der Polizei am Tag der Deutschen Einheit bei Dutzenden Kund­gebungen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Über 200 Versammlungen

So beteiligten sich allein in Thüringen am Montag insgesamt rund 38.000 Menschen an 42 Versammlungen, wie ein Sprecher der Landeseinsatzzentrale in Erfurt mitteilte. In Sachsen sprach das Lagezentrum des Innenministeriums von rund 32.000 Teilnehmern bei 109 Versammlungen. In Sachsen-Anhalt schätzte das Innenministerium die Teilnehmerzahl bei rund 45 Versammlungen auf zusammen 14.600. In Brandenburg schätzte die Polizei die Teilnehmerzahl bei landesweit 35 Protestkundgebungen am Montag auf 10.500. (dpa, taz)

Christoph Polster, der Vorsitzender des Bündnisses Cottbuser Aufbruch, bringt Klarheit in die Lage. Der 72-Jährige trägt offene, silberne Haare, eine gerahmte Brille und ist schon lange in der Cottbusser Zivilgesellschaft aktiv. Schon seit 1986 lebt Polster in Cottbus, zählte zu jenen, die 1989 gegen das SED-Regime auf der Straße gingen, und hat die Umbrüche der Wendezeit und die rechte Gewalt der „Baseballschlägerjahre“ in den 1990er Jahren miterlebt. Dreißig Jahre lang war er Pfarrer in der Oberkirche, dort, wo die Rechten regelmäßig ihre Montagsdemos starten.

Der Cottbusser Aufbruch fungiert als Plattform für Initiativen, Vereine und Unternehmen. Seit einigen Jahren sei Cottbus in den Fokus der Rechten geraten, sagt Polster. „Die Partei will eine rechte Hochburg etablieren“, erklärt er, „dafür haben die AfD-Strategen Cottbus ganz bewusst ausgewählt.“ Eine bedeutende Rolle spiele dabei der vom AfD-Landtagsabgeordneten Christoph Berndt gegründete Verein Zukunft Heimat.

Wie die Strategie der Rechten aufgeht

Im Mai 2017 eskalierte vor der Cottbusser Stadthalle ein Streit zwischen einer Gruppe Syrer und einem deutschen Junggesellenabschied, in dessen Folge ein Deutscher mit einem Messer schwer verletzt wurde. Der Vorfall fachte in der Stadt eine Debatte über Gewaltkriminalität von Geflüchteten an. Damals gelang es Berndt, regelmäßige Montagsproteste in der Stadt zu etablieren. Erneuten Auftrieb erhielten die Demonstrationen während der Coronapandemie. Die Proteste wusste Zukunft Heimat geschickt zu vereinnahmen; verschwörungsideologische Parolen ersetzten rassistische Sprüche, die Wahlempfehlungen für die AfD blieben dieselben.

Jetzt hofft Zukunft Heimat, dass ihnen dieser Coup ein weiteres Mal gelingt. „Mit dem Ukrainekrieg wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben“, klagt Polster, die Inhalte seien eigentlich austauschbar, Hauptsache, es ließe sich unter der Bevölkerung Angst schüren.

Unterstützt werde Zukunft Heimat von einer rechtsextremen Hooligan-, Kampfsport- und Rockerszene in Cottbus. Rechte Ultras des lokalen Fußballvereins Energie, wie die inzwischen aufgelösten Inferno Cottbus, machten 2018 bundesweit Schlagzeilen, als sie mit Ku-Klux-Klan-Hauben und Fackeln posierten, während die Polizei untätig danebenstand.

Portrait

Lars Schieske (AfD) hofft auf seine Chance Foto: Jens Kalaene/dpa

Der Brandenburger Verfassungsschutz hat die rechte Szene in Cottbus seit Jahren im Blick. Der diesjährige Bericht nennt die über 100 Mitglieder zählende Gruppe Kampfgemeinschaft Cottbus ein „Sammelbecken für Rechtsextremisten mit hohem Gewaltpotenzial“, die verstärkt im Security- und Türstehermilieu vertreten ist.

Zukunft Heimat sorgt dagegen für die bürgerliche Anschlussfähigkeit und die scheinbar harmlose Außenwirkung. Als „länderübergreifendes Scharnier zwischen unterschiedlichen rechtsextremistischen Akteuren“, bezeichnet der Verfassungsschutz deshalb den Verein.

Die rechten Netzwerke schaffen es auch, zahlreiche Teil­neh­me­r:in­nen aus dem benachbarten Sachsen und dem ländlichen Umland zu mobilisieren. Angesichts dessen sei es fast unmöglich, Gegenproteste zu organisieren, gesteht der pensionierte Pfarrer Christoph Polster ein.

Auf der Demonstration

Wie gut AfD-Parteipolitik mit den entsprechenden Bürgerinitiativen, der Hooligan-Subkultur und einer vorgeblich bürgerlichen Mitte ineinandergreifen, zeigt sich an diesem Montag in der Cottbusser Innenstadt. Im Vorfeld der Demonstration finden sich in Tausenden Briefkästen Flugblätter. Der Aufruf darin ist offenbar bewusst zurückhaltend formuliert. Von einer „falschen Politik, gegen die wir aufstehen müssen“ ist da die Rede und von einer „Enteignung der Bürger“, die verhindert werden müsse. Logos, die einen Hinweis auf die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen geben könnten, fehlen.

Ein älteres Ehepaar am Rande der Auftaktkundgebung gibt an, sie seien vor allem hier, weil sie Angst davor hätten, mit der schmalen Rente ihre Energiekosten nicht mehr zahlen zu können. Erst vor wenigen Monaten sei er in den Ruhestand eingetreten, erklärt der Mann. Von dem Protest erfahren habe das Paar von dem Flyer im Briefkasten. Ob es sie störe, dass die Demo von rechten Gruppen organisiert wird? „Davon weiß ich nichts“, lautet die Antwort.

Für Außenstehende, die über keine Kenntnisse der Szenecodes oder Modemarken verfügen, ist selbst der Anlass der Demonstration nur schwer erkennbar. Ein älterer Herr hält ein an einem Regenschirm befestigtes Schild mit der Aufschrift „Ami go home“ hoch, ein weiterer schwenkt eine Russlandfahne, ansonsten sind keine Parteiflaggen zu sehen; das Fronttransparent wird erst beim Beginn der Demo entrollt.

Die Strategie, durch maximale Anschlussfähigkeit in die bürgerliche Mitte rechtsextreme Inhalte mehrheitsfähig zu machen, scheint in Cottbus aufgegangen zu sein. In dem Aufruf für die kommende Protestaktion in der folgenden Woche ist die Rede von einer „Welle der illegalen Einwanderung, die das Jahr 2015 in ihren Schatten stellt“, in der Erklärung für die Demo am 10. Oktober – einen Tag nach der Stichwahl zum Oberbürgermeister – wird offen für die Unterstützung des AfD-Kandidaten aufgerufen.

Die Suche nach den Ursachen

Fragt man den SPD-Kandidaten Schick und den ehemaligen Pastor Polster, warum die Strategie der Rechten in Cottbus auf so fruchtbaren Boden fällt, bekommt man ähnliche Antworten. Es sei der Schock über den Strukturbruch der Wende, der immer noch tief sitze. Ein Großteil der 180.000 Arbeitsplätze in der Braunkohleregion fiel nach der Wiedervereinigung weg, das Bergbauunternehmen LEAG beschäftigt heute nur noch 7.500 Mitarbeiter. Die Einwohnerzahl von Cottbus schrumpfte in wenigen Jahren von 130.000 auf 100.000 Menschen zusammen. „Wenn deine Nachbarn wegziehen, und du dich fragst, warum du noch hier bist, dann macht das was mit dir“, beschreibt Tobias Schick das vorherrschende Gefühl der Nachwendejahre.

Vom Niedergang ist heute im Stadtbild wenig zu spüren. Die Altstadt ist durchsaniert und verfügt über eine großzügige Fußgängerzone, der Bahnhof blitzt nach umfassender Renovierung, zahlreiche gepflegte Grünflächen und Parks laden zum Verweilen ein. Der endgültige Ausstieg aus der Kohle beschert Cottbus Milliarden an Strukturförderung. Überall wird gebaut, und statt Arbeitslosigkeit ist derzeit das größte Problem, genügend Fachkräfte zu finden.

Wenn SPD-Kandidat Tobias Schick über Cottbus’ Zukunft redet, dann gerät er schnell ins Schwärmen und vergisst den vor ihm liegenden Teller Kartoffeln. Er spricht von Industrieansiedlungen wie dem neuen ICE-Ausbesserungswerk der Bahn, oder über die Universitätsmedizin und den Science Park, die an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg entstehen sollen. „Im Gegensatz zu Berlin hat Cottbus Platz“, bringt Schick das Potenzial der Großstadt auf den Punkt.

Portrait

Alia Haddad spürt in Cottbus den Alltagsrassismus. Trotzdem will sie bleiben Foto: Dagmar Morath

Doch trotzdem gelingt es der AfD, Angst vor der Zukunft zu instrumentalisieren, indem sie suggeriert, die Demütigungen der Nachwendeerfahrung könnten sich wiederholen – durch Geflüchtete, Coronamaßnahmen oder steigende Energiepreise. „Alles, was wir geschaffen haben, will man jetzt leichtfertig zerstören“, ruft der Redner am Ende der Demonstration am Montag unter Applaus ins Mikrofon.

Ironischerweise ist es gerade ein möglicher Erfolg der AfD, der den Strukturwandel in der Region gefährden könnte. Dieser Auffassung sind nicht nur Schick und Polster, sondern auch Lars Katzmarek. „Die Lausitz hatte noch nie so viele Chancen wie heute“, blickt der 30-Jährige mit kurzen Haaren und breitem Gesicht positiv in die Zukunft. Katzmarek ist nicht wie viele seiner früheren Klassenkameraden weggezogen, sondern hat bei dem zweitgrößten deutschen Stromerzeuger, der LEAG mit Sitz in Cottbus, als Telekommunikationstechniker angefangen. Als Sprecher des Lobby­vereins Pro Lausitzer Braunkohle wirbt er für die Zukunft der Region. Dafür hat er sich ­extra im Urlaub Zeit genommen. An einem sonnigen Septembertag erklärt er auf einer der vielen Sitzgelegenheit auf dem Cottbusser Altmarkt die ­Position seines Vereins.

„Wenn wir dieses Riesenprojekt schaffen wollen, brauchen wir Fachkräfte von außerhalb“, sagt Katzmarek. Mit einem AfD-Oberbürgermeister sei eine Willkommenskultur undenkbar. „Es würde wohl kaum jemand in eine Region ziehen, in der die erste Frage ist, ob meine Familie sicher ist.“

Rechte Wahlchance wirkt mobilisierend

Trotz der Entwicklungen in den letzten Jahren ist auch Christoph Polster optimistisch. „Die AfD hat ihr Mobilisierungspotenzial erreicht“, ist sich der ehemalige Pfarrer sicher. Die Kernklientel bestehe aus rund 20 Prozent, der Rest seien vor allem Protestwähler, schätzt er. „Die Mehrheit grenzt sich gegen die Ideologie der AfD ab.“

Die Möglichkeit, dass die Stadt künftig von einem Oberbürgermeister aus den Reihen der AfD regiert werden könnte, hat ganz offenbar dazu beigetragen, zumindest einen Teil dieser Mehrheit zu aktivieren. Um das weltoffene Cottbus in besseres Licht zu rücken, planen Gruppen des Bündnisses #Unteilbar Südbrandenburg eine eigene Demonstration an diesem Freitag, zwei Tage vor der Wahl. Dort erhoffen sich auch neuere Initiativen, wie das Mi­gran­t:in­nen­netz­werk Cottbus United, ihren Problemen Gehör verschaffen zu können.

Eine Woche zuvor treffen sich einige Mitglieder des Netzwerks zusammen mit ein paar Un­ter­stüt­ze­r:in­nen in den Räumen eines Frauenzentrums in der Spremberger Vorstadt. Etwa zehn Personen sitzen in einem Stuhlkreis und diskutieren Forderungen, die sie auf der Demonstration dem hoffentlich zukünftigen Oberbürgermeister Schick stellen wollen, der auch auf der Demo mitmachen will. „Den Betroffenen sollte zugehört werden“, wirft Alia Haddad, eine Frau mit beigem, eng anliegendem Kopftuch ein. Oft würden Behörden und Ämter nicht reagieren und sie mit Problemen alleinlassen. Alia heißt eigentlich anders, befürchtet aber, durch eine Veröffentlichung ihres Namens könnten Rechtsradikale sie ins Visier nehmen.

Rassismus erlebten die Mitglieder von Cottbus United fast täglich, sagen sie. Durch ihr Kopftuch werde Haddad besonders oft Ziel rassistischer Übergriffe. „Oft kommt der Spruch: Nimm dein Kopftuch ab“, berichtet die 40-Jährige, „Aber ich liebe mein Kopftuch.“

Haddad ist im Jahr 2016 aus Syrien nach Deutschland geflohen. Mittlerweile spricht sie fließend Deutsch und arbeitet als Erzieherin. Von ihren Rassismuserfahrungen berichtet sie erstaunlich gefasst. „Ich wollte mit meinen Kindern Eis essen gehen. Als sie untereinander arabisch gesprochen haben kam ein Mann und schrie sie an.“ Einmal musste sie umziehen, weil ihre Nachbarin nicht aufhörte, sie wegen ihres Kopftuchs zu beleidigen. „In Cottbus ist es viel schlimmer als in Berlin oder Potsdam“, sagt Haddad.

Trotzdem wolle sie in Cottbus bleiben. Sie habe einen Job, außerdem gefiele es ihren Kindern, die hier aufgewachsen sind und Freunde gefunden haben. Was aber, wenn doch die AfD gewinnt? Alia zögert nicht lange. „Dann müssen wir wegziehen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.