Insel La Palma nach Vulkanausbruch: Aufstieg aus der Asche

Auf der Kanaren-Insel La Palma warten ein Jahr nach dem Vulkanausbruch Betroffene auf Hilfe. Wohnungen fehlen, weil viele Häuser zerstört wurden.

Vulkangestein, im Hintergrund Autos und Berge

Der Vulkanausbruch ist vorbei – doch der Alltag ist noch lange nicht wieder da Foto: Kike Rincón/Europa Press

MADRID taz | „Ich habe Glück gehabt“, sagt Pedro Padrón. Der 55-jährige Bananenbauer aus Los Llanos auf der Kanareninsel La Palma hat keinen einzigen Quadratmeter seiner Bananenplantagen verloren. „Doch an Produktion ist dennoch bis kommenden Herbst nicht zu denken“, fügt er hinzu. Die Asche hat die Qualität des Bodens beeinträchtigt. Er muss aufgearbeitet werden.

Der Vulkan, der mittlerweile den Namen Tajogaite erhalten hat, brach am 19. September 2021 aus und erlosch am 13. Dezember des gleichen Jahres. Über 1.000 Meter ist der Berg aus Gestein und Lava hoch, der ganze Landstriche verwüstete. Insgesamt wurden rund 1.200 Hektar Land von den Lavaströmen, die bis ins Meer gelangten, verschüttet. Über 1.500 Gebäude wurden zerstört, davon 1.345 Wohnhäuser, 6.000 weitere wurden zum Teil schwer beschädigt.

7.000 der 85.000 Inselbewohner mussten in Sicherheit gebracht werden. Ein Großteil von ihnen hat alles verloren. Die Gesamtschäden an den Häusern, der Infrastruktur und der Landwirtschaft betragen laut Regionalregierung 842 Millionen Euro. Kein Vulkan hat in den letzten 100 Jahren in Europa so viele Unheil angerichtet, wie der Tajogaite.

Landwirtschaft, Viehzucht und Fischfang sind vom Vulkanausbruch betroffen. Rund 300 Hektar Bananenstauden sind unter der Lava verschwunden. Hinzu kommen weitere 600 Hektar Weinreben, Avocados und andere Fürchte, die entweder verschüttet wurden oder ganz einfach durch die Lavaströme vom Umland abgeschnitten wurden.

Um diese wirtschaftliche Aktivität wieder anzukurbeln, hat die spanische Regierung 18,8 Millionen Euro ausgegeben. 14,6 Millionen gehen alleine an die 2.974 Bananenbauern, darunter auch Pedro Padrón. „Wir bekommen Hilfen vergleichbar mit denen nach starken Unwettern“, sagt er. Zumindest die Kosten für den Anbau der verlorenen Ernte kann er damit decken. Wer das gesamte Land verloren hat, weiß allerdings bis heute nicht, ob und wie er entschädigt wird.

Auch für Padrón ist die Normalität noch lange nicht zurückgekehrt. „Wir mussten monatelang einen riesigen Umweg fahren, um auf unsere Felder zu gelangen“, erklärt er. Was normalerweise 10 Minuten im Auto waren, wurde zu 2 Stunden – mehr als 100 Kilometer – auf Feldwegen. „Seit Mitte Juni können wir jetzt über eine neu angelegte Trasse.“ Im Konvoi geht es dreimal am Tag mit Begleitfahrzeugen über eine breite, mittlerweile abgekühlte Lavazunge. „Jetzt brauchen wir nur noch eine halbe Stunde“, sagt der Bauer zufrieden.

Doch auf ein Feld etwas weiter unten am Hang, kann Padrón auch weiterhin nicht. „El Valle“ – das Tal – nennen sie die Gegend um die Siedlung La Bombilla. „Dort treten nach wie vor Gase aus. Es ist Sperrgebiet“, sagt Padrón. Hier liegt auch Puerto Naos, eines der größten Feriengebiete der „Schönen Insel“, wie La Palma beworben wird. Zumindest auf der restlichen Insel hat sich das Geschäft mit dem Tourismus erholt. In diesem Sommer waren die Hotels zu über 90 Prozent ausgebucht. Viele Besucher wollen die neue, faszinierende Vulkanlandschaft sehen.

Was fehlt: Wohnraum

„Das größtes Problem sind Wohnungen“, sagt Padrón. Er weiß, von was er spricht. Seit dem Vulkanausbruch hat er seinen Schwager Goyo Cordobés bei sich aufgenommen. Der hat alles verloren. Die Lava hat sein Haus einfach unter sich begraben. „Seither sind wir auf mehrere Wohnungen verteilt“, sagt Cordobés. Seine Frau lebt bei einem Bruder, der Sohn bei einer Tante.

Cordobés will bauen. Sein Schwager Padrón hat ihm 1.300 Quadratmeter Land geschenkt – 50 Meter außerhalb der Lavazunge, die sein altes Heim verschlungen hat. Die Inselregierung hat eigens für die Betroffenen das Gesetz geändert. Sie dürfen auch auf Gelände bauen, das eigentlich nur für die landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen ist. Derzeit planiert Cordobés den Teil, auf dem das neue Haus entstehen soll.

Für Menschen wie die Familie von Cordobés hat die kanarische Regionalregierung 487 Millionen Euro aus unterschiedlichen Töpfen mobilisiert. Laut Opposition im Regionalparlament ging die Hälfte davon an die Versicherer. Bisher haben ungefähr die Hälfte derer, die wie Cordobés alles verloren haben, die versprochenen Hilfen von bis zu 60.000 Euro erhalten. Cordobés selbst hat 49.000 Euro erhalten. Jetzt wartet er auf ein zweites Hilfsprogramm der Regionalregierung, bei dem es bis zu 30.000 Euro gibt. Die Hausratsversicherung hat den Wohnungskredit abbezahlt.

Nach langen Behördengängen hat Cordobés endlich die Baugenehmigung erhalten und angefangen, sein neues Zuhause zu errichten. Er will zumindest den Rohbau fertigstellen und einen Teil des Hauses einrichten. „Dort werden wir dann wohnen und nach und nach fertig bauen“, hofft Cordobés. Wie lange das dauern wird? „Drei bis vier Jahre“, sagt Cordobés.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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