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STÄDTISCHE STATT STAAT Die Berliner Wohnungsunternehmen initiieren Bildungsprojekte mit Kitas, Schulen und Bezirken. Kieze sozial zu stabilisieren liegt im Interesse der Vermieter

Die öffentliche Hand spart an vielen Ecken, doch wir sind mit sozialen Brennpunkten konfrontiert

DAVID EBERHART, BBU-SPRECHER

VON LARS KLAASSEN

Jörn ist der Pate von Sani. Die beiden treffen sich einmal in der Woche und unternehmen etwas miteinander. „Ich habe mit ihm viele Sachen gemacht, die ich sonst jetzt nicht gemacht hätte“, sagt Jörn. „Wer geht schon ohne einen Neunjährigen ins Kindermuseum? Ich habe aber in der Zeit auch viel über mich gelernt.“

Die beiden haben über das Projekt „Neuköllner Talente“ der Bürgerstiftung Neukölln zusammengefunden. Ziel dieses Projekts ist es, Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren aus Neuköllner Schulen zu unterstützen, ihre Talente zu identifizieren und fortzuentwickeln. Ehrenamtliche Paten helfen den Kindern in regelmäßigen Treffen, ihre Begabungen in Stärken und Kompetenz umzumünzen. „Dies unterstützt die persönliche Entwicklung der jungen Menschen“, sagt Ingo Malter, Geschäftsführer der „Stadt und Land“ Wohnbauten-Gesellschaft, die das Projekt mitträgt: „Entscheidend ist, dass junge Menschen durch gute Bildung und frühzeitige Förderung ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können.“ Das kommunale Wohnungsunternehmen ist mit solchem Engagement in Berlin keine Ausnahme.

„Die öffentliche Hand spart an vielen Ecken, doch in Großstädten sind wir mit sozialen Brennpunkten konfrontiert“, sagt David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). „Schon aus Eigeninteresse engagieren Wohnungsunternehmen sich auch sozial.“ Die spezifische Situation in Berlin: Hier gibt es eine Reihe großer Unternehmen, deren Bestand in einigen Stadtteilen stark konzentriert ist. „Das hat zwei Vorteile“, so Eberhart, „die Akteure sind groß genug, sich beträchtlich einzubringen, und der Wettbewerb untereinander forciert die Qualität, weil man voneinander lernt.“ Den komplexen sozialen Situationen entsprechend können so komplexe Projekte initiiert werden, an denen meist eine Reihe von Akteuren beteiligt sind.

Die Aktivitäten der großen Wohnungsgesellschaften sind meist auf die spezifischen Situationen der Standorte ausgerichtet. So unterstützt „Stadt und Land“ an anderer Stelle wiederum den Hellersdorfer Grünklub: eine ehrenamtliche Mieterinitiative, die 2011 mit dem Umweltpreis des Bezirks ausgezeichnet wurde. Seit rund 20 Jahre pflegen Anwohner dort ihre Grünanlagen und fördern dadurch auch ökologisches Bewusstsein vor Ort. Die Arbeit der Initiative begann, als 12.000 Bäume auf die Brachflächen in Hellersdorf gepflanzt wurden und damit die umfassende Gestaltung der Außenanlagen begann. Kooperationen mit Schulen und Kindergärten sollen schon die jüngsten Einwohner des Bezirks mit ihrer Umwelt vertraut machen und sie für die Natur begeistern.

Solche Projekte kosten. Für die Stabilität in Kiezen mit hohem Howoge-Bestand etwa gibt das Wohnungsunternehmen jährlich rund 1 Million Euro aus. Das Investment zeigt offenbar Wirkung: Eine deutschlandweite Benchmarkstudie ergab 2010, dass bei der Howoge die zufriedensten Mieter wohnen, im vergangenen Jahr belegte man Platz zwei. „Dazu haben auch die viele Einzelmaßnahmen beigetragen, mit denen wir die Bildung und Erziehung des Nachwuchses in Lichtenberg und Berlin-Buch fördern“, sagt Howoge-Geschäftsführerin Stefanie Frensch. Unter anderem übernimmt das Unternehmen Büchergeld für Schulanfänger, hat die Schulbibliothek der Selma-Lagerlöf-Schule ausgestattet und unterstützt Jugendliche bei der Berufsfindung. Jugendliche können dort zudem ein Bewerbungstraining absolvieren. Dieser „Bewerbertag“ ist Teil der Senatsinitiative „Berlin braucht dich!“. Ziel ist es, Jugendliche mit Migrationshintergrund durch Betriebspraktika und Bewerbungstraining für einen erfolgreichen Ausbildungs- und Berufseinstieg bei kommunalen Unternehmen, beim öffentlichen Dienst oder bei Bundesbehörden fit zu machen. Jährlich beginnen mindestens fünf junge Leute bei der Howoge eine Ausbildung zum/zur Immobilienkaufmann/-frau. Derzeit absolvieren 15 Azubis die dreijährige Ausbildung.

Ein gewichtiger Akteur im Märkischen Viertel ist die Gesobau. Von gut 16.000 Wohnungen in diesem Stadtteil verwaltet das Unternehmen über 15.000. Mieter aller Altersklassen und aus 92 Nationen leben dort. „Wir gehen auf die Mieter zu und sondieren, wo es Wünsche, Probleme oder Konflikte gibt“, erläutert Helene Böhm, Sozialmanagerin der Gesobau. „Entscheidend ist sowohl eine kontinuierliche Arbeit, als auch die Mieter miteinzubinden.“ Einige Symptome weisen beizeiten auf soziale Schieflagen hin: Wenn Mieter sich etwa verstärkt über Kinderlärm beschweren oder Vandalismus sich bemerkbar macht, deutet das auf fehlende Angebote für Kinder und Jugendliche hin. Neben dem von der Gesobau geförderten Jugendzentrum werden im Märkischen Viertel auch Schulen und Kitas immer wieder als Partner bei einzelnen Projekten hinzugezogen.

An Schulen in eher strukturschwachen Wohnquartieren setzt sich die Sarah-Wiener-Stiftung für eine ausgewogene Ernährung von Kindern ein. Das Motto: „Für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen“. Die Gewobag fördert bei diesem Projekt sechs Berliner Schulen. Sie finanziert Lebensmittel, Bauernhof-Erkundungstouren sowie Einführungsworkshops für die Lehrer. Ein Gewobag-Projekt in Schöneberg integriert Jugendliche beim Boxsport. In Kreuzberg wiederum finden verschiedene Generationen beim Ballett zueinander.

Eine wichtige Rolle spielen bei den sechs landeseigenen Unternehmen auch die Mieterbeiräte: Sie werden in den größeren Siedlungen von den Mietern gewählt. In Sprechstunden können die Anwohner Wünsche äußern oder Probleme benennen. Die Einbindung der Mieter soll den sozialen Zusammenhalt intensivieren, Bedürfnisse sollen so erkannt und möglichst schnell eine Lösung gefunden werden.