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E-Mobilität als neues Geschäftsfeld für Energiegenossenschaften

Wirtschaftlich attraktiv sind Ladestationen für Elektrofahrzeuge häufig noch nicht, aber es geht darum, Standorte zu sichern, heißt es in der Branche

Das Interesse der Energiegenossenschaften in Deutschland am Sektor Mobilität steigt Foto: Juan Carlos Tardio/ PantherMedia/imago

Von Bernward Janzing

Bislang ist es das Geschäftsfeld einer Minderheit: Nur 17 Prozent der Energiegenossenschaften in Deutschland sind schon im Sektor der Mobilität unterwegs. Das hatte die jüngste Jahresumfrage Energiegenossenschaften des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes ergeben.

Aber das Interesse steigt und das spüren zum Beispiel auch die Inselwerke. Das Unternehmen hatte als lokale Bürgerenergiegenossenschaft im Jahr 2016 mit dem Aufbau eines Ladenetzes auf Usedom begonnen und unterstützt inzwischen mit seinem erworbenen Wissen andere Genossenschaften im ganzen Land: „Wir machen Schulungen zur E-Mobilität und kaufen Hardware gemeinsam ein“, sagt René Tettenborn, einer der Vorstände. Auch übernehmen die Inselwerke die Abrechnung für die Ladesäulen im Genossenschaftsnetzwerk.

Das wachsende Interesse der Genossenschaften am Thema Mobilität spüren ebenso die Bürgerwerke in Heidelberg, die sich als Dachgenossenschaft der örtlichen Bürgerfirmen verstehen. Denn die E-Mobilität birgt neue Chancen, nachdem rund ein Drittel der Genossenschaften im Land zuletzt nur noch seine bereits realisierten Projekte verwaltete und keine neuen mehr plante. Das lag vor allem daran, dass Solarstromanlagen – einst der Klassiker der Genossenschaften – zwischenzeitlich unattraktiv geworden waren.

So könnte das Geschäftsfeld Mobilität nun manche Genossenschaft zu neuem Leben erwecken. Zumal ein Netzwerk genossenschaftlich organisierter Unternehmen längst die passenden Dienstleistungen anbietet. Zu diesem Verbund zählt neben den Inselwerken und den Bürgerwerken die Vianova in Mainz – auch sie ist eine Genossenschaft. Für die oft ehrenamtlich geführten lokalen Energiegenossenschaften sind solche Kooperationspartner zumeist unabdingbar.

Der Ausbau der bürgereigenen Ladeinfrastruktur kann sich bereits sehen lassen: An mehr als 100 Standorten in Deutschland hätten die Energiegenossenschaften inzwischen in Summe 250 Ladepunkte realisiert, sagt Nico Storz von den Bürgerwerken. Schritt für Schritt entstehe ein „Bürgerladenetz“, versorgt mit Strom der Energiegenossenschaften. So liegt die gesamte Wertschöpfung in der Hand der Bürger.

Ran an die Bahnhöfe

Zwar seien die Ladesäulen an vielen Standorten derzeit noch ein Zuschussgeschäft, räumt der Usedomer Pionier Tettenborn ein, dessen Unternehmen inzwischen 16 Ladestationen betreibt. Aber so sichere man sich Standorte für den Markt der Zukunft. Die Verknüpfung mit dem Bahnverkehr kann bei der Standortwahl ein wichtiger Aspekt sein. Die Inselwerke haben das am Bahnhof in Anklam beispielhaft umgesetzt. Dort stellt das Unternehmen Elektroautos per Carsharing zur Verfügung, zudem E-Bikes. Projektname: „Die Weiterfahrer“. Motto: „Raus aus dem Zug. Rein in den Urlaub.“

Das vielfältige Geschäft der Inselwerke sorgt auch dafür, dass das Unternehmen weiterhin an neuen Mitgliedern interessiert ist und auch Verwendung für die Einlagen hat – was nicht bei allen Bürgerunternehmen derzeit der Fall ist. Es gibt andere Genossenschaften, die haben mehr Liquidität als umsetzbare Projekte.

Für die Projekte braucht es heute nämlich mehr Kreativität als zu jenen Zeiten, als Photovoltaikanlagen die Genossenschaftsarbeit dominierten. Heute gilt es in Gesamtkonzepten zu denken – zum Beispiel, indem man eine bestehende Eigenerzeugung in eine Ladeinfrastruktur einbindet. Ist der Standort attraktiv, lässt sich ein Teil des eigenen Solarstroms unmittelbar vor Ort nutzen, was oft mehr Ertrag bringt, als ihn einzuspeisen. Auf diese Weise werden auch bei den Inselwerken mehrere Ladestationen tagsüber direkt mit Sonnenstrom versorgt; vier wurden mit einem eigenen Solarcarport errichtet.

Auch die Energiegenossenschaft Weilerwärme aus Pfalzgrafenweiler im Schwarzwald tankt, wann immer möglich, eigenen Strom. Sie startete im Sommer 2014 das Carsharing-Projekt Weiler-e-Mobil, das zwischenzeitlich rund 30 Fahrzeuge vom E-Bike und E-Lastenfahrrad bis zum Kleinbus umfasst. Das Geschäftsmodell Carsharing passte sehr gut zur bereits früher realisierten Nahwärme- und Ökostromerzeugung. Weil überschüssiger Strom aus den eigenen Blockheizkraftwerken und Solaranlagen oft nur gering vergütet wird, ist es attraktiv, die Energie zum Laden der Elektrofahrzeuge zu nutzen.

Allerdings ist der Einstieg in die Elektromobilität auch für die Genossenschaften nicht ohne Risiko: „Das Geschäftsfeld ist komplex, die Renditen sind (noch) gering“, bilanzierte jüngst das Bündnis Bürgerenergie. Einen Gewinn bringt der Einstieg in die E-Mobilität den Bürgerfirmen aber in jedem Fall: „Autos mit Logo der Genossenschaft erzeugen eine hohe Aufmerksamkeit.“ Was sich langfristig auch auszahlen könnte.