berliner szenen
: Keine Bange, kompliziert isses immer

Ich stehe im Baumarkt vor den Schrauben. Es gibt viele Schrauben, stelle ich fest. Sehr viele Schrauben. Und ich brauche eine einzige. Nur eine, die etwas größer ist als die in meiner Hand, denn die ist in meiner Küchenschublade abgebrochen.

„Entschuldigung“, sage ich zu dem älteren Baumarktmitarbeiter in der roten Hose. „Können Sie mir helfen? Ich suche genau so eine Schraube.“ Er sieht über seine Brille hinweg in meine geöffnete Hand auf die kleine Schraube. „Jute Frau, die is ja abgebrochen.“

„Ja“, sage ich, „ich brauche sie ganz.“ Er guckt mich an, als sei bei mir eine Schraube locker. „Na, dis is schon klar, aber woher soll ick wissen, wie lang die war?“ „Hm“, sage ich, „ich dachte, so was sehen Sie.“ Er lacht. „Sie arbeiten im Büro, wa?“ Er brummelt: „Wo saß ’n die?“ „In meiner Küchenschublade“, seufze ich. „Ham Se ’n Bohrer? Dann können Se mit dem Schraubenausdreher das abgebrochen Teil entfernen und ’ne neue reindrehen, aber“, sagt er, „dafür brauch ich eine Schraube von der anderen Seite, um zu wissen, welche Länge Sie brauchen.“

„Pff“, mache ich. „Ich dachte, das wäre eine schnelle Sache, und jetzt ist es wieder sehr kompliziert.“ Er winkt ab. Seine Fingernägel sind ganz rund und irgendwie konvex. „Keene Bange, das isses immer, wenn man was richtig macht. Sieht schnell aus, aber is dann doch kompliziert.“ Er hält kurz inne, und dann lacht er. „Hab meine Frau nach sechs Wochen geheiratet. Dit war schnell, aber ick sach Ihnen, dann wurd es kompliziert.“

Ich lächele. „Aber Langeweile kommt da nich auf“, sagt er. „Bei Ihnen jetzt och nich. Hier ist der Schraubenausdreher.“ Ich schaue zweifelnd auf das metallene Gerät in seiner Hand. „Sie schaffen dit schon“, sagt er zuversichtlich. „Und wenn nich, komm Se her und heulen sich bei mir aus.“ Und das mache ich dann vielleicht auch.

isobel markus