Bringdienste und andere Geschäftsideen: Alles easy in der bunten Start-up-Welt

So ein Start-up ist flugs gegründet mit irgendwas zum Ausliefern. Willige Mitarbeiter, die bei Wind und Wetter durch die Stadt jagen, finden sich immer.

Viele unterschiedliche Pillen und Tabletten

Essen, Tabletten, egal: kann man sich doch alles an die Tür bringen lassen Foto: picture alliance/dpa/Robert Michael

Die Innovationsberater-Firma Startup Genome hat herausgefunden: Berlin ist die Start-up-Metropole Deutschlands. 2020 hat diese nachgesellschaftliche Projektwelt hier bereits 19.000 Billigjobs geschaffen. Fast im Monatstakt werben inzwischen neue Bringdienste in den U-Bahnhöfen. Ich vermute, dass dahinter jedes Mal Millennials stehen, die ständig an ihren Smartphones fummelten, sich nächtens Fastfood und Softdrinks kommen ließen und dann die tolle Idee eines Bringdienstes hatten. Dazu stellten sie dann einen Schwarm armer Schweine als Ausfahrer ein.

„Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“, hieß ab 1955 der Werbespruch der ersten deutschen Schnellrestaurantkette – mit Broiler to go im Angebot. Ähnlich lautet nun ein Spruch der Lieferfirma Wolt: „Berlin erreicht Herd-Immunität“. In den LPGs der DDR gab es aber auch schon einen Lieferdienst, das heißt: Die Fahrer brachten den Mitarbeitern täglich Essen aufs Feld.

Es gibt wahre Start-up-Moden: Nach den Fastfood-Lieferdiensten warben in den U-Bahnhöfen neue Bankgründungen, sie nennen sich Smartphone-Banken: Alle Geldgeschäfte werden bei ihnen angeblich „easy“ erledigt – mittels „financial technology“. Deswegen hießen sie „Fintech-Banken“. Eine Wirtschaftszeitung allerdings unkte: „Es reicht nicht, Fantasien zu verkaufen – ruppiges Börsenklima für Fintechs.“

Nach den Finanz-Start-ups kamen die Finanzamt-Start-ups. Eins nennt sich taxfix: Es will die jährliche Steuererklärung für uns erledigen. Als wenn es nicht schon genug Steuerberater gäbe. Das Problem dabei ist, bevor sie eine Steuerrückzahlung für uns erreichen, wollen sie erst mal selbst Geld von uns haben. Die taxfixer werben dafür mit dem kessen Spruch: „Schluss mit Steuer-blablablabla-Erklärung“.

Medikamente schnell gebracht

Noch abstoßender sind die Start-ups der Drogendealer. Kurando zum Beispiel, das uns „Medikamente in 30 Minuten“ liefern will: „Free delivery …“ Oder Mayd, das ebenfalls verspricht, uns blitzschnell etwa Schmerztabletten zu bringen. Die Renner sind angeblich nicht rezeptpflichtige Potenzmittel. Mayd kooperiert mit Apotheken. Diese nehmen die Bestellungen auf und stellen die Ware zur Abholung bereit. Mayd hat bloß die Fahrer, die sie ausliefern. Wir haben es also auch hier mit einem oder mehreren Schlaumeiern zu tun. Die sitzen in ihrer Computerzentrale und stellen einen, mehrere oder ganz viele Arbeitslose beziehungsweise besessene Sportler ein, die bei Wind und Wetter durch die Stadt jagen.

Auf businessinsider.de heißt es zu der maximal halbstündigen Lieferzeit: „Mayd ist nicht das einzige deutsche Start-up mit dieser Idee. Nach der aktuellen Seed­runde ist es allerdings das am besten finanzierte.“ In der „Seed­runde“ sammeln sich die Samenspender, hier sind es die Start-ups 468 Capital, Earlybird und Target Global. Laut einem Linkedln-Post des Mayd-Gründers haben daneben auch bekannte „Business Angels“ wie die Gründer der Start-ups Amorelie, Auto1, Aitme und auch Flixbus in seine Lieferfirma investiert – insgesamt 43 Millionen Euro.

Mayd war so erfolgreich als Drogendealer, dass seine Vertragsapotheken mit den Bestellungen gar nicht nachkamen. Andere haben bereits Lieferdienst und Apotheke verbunden: die Versandapotheke DocMorris zum Beispiel, die 2000 von einem holländischen Apotheker und einem deutschen Ingenieur gegründet wurde.

Für den Apothekerverband ist die Strategie von DocMorris nur Augenwischerei. „Es gibt jetzt schon viele Einkaufsgemeinschaften von Apotheken. Diese kaufen bei Großhändlern billiger ein und unterbieten oft die Preise von DocMorris“, sagte die Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände dem Leiter des News-to-be-smart-Rooms bei Burda Forward, was der Bunte-Besitzer Hubert Burda als „digitales Medienhaus der Zukunft“ bezeichnet. Sein Forward läuft wahrscheinlich auf eine Bunte für die Start-upper-Class raus.

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geb. 1947, arbeitet für die taz seit 1980, Regionalrecherchen, ostdeutsche Wirtschaft, seit 1988 kulturkritischer Kolumnist auf den Berliner Lokalseiten, ab 2002 Naturkritik.

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