Ex-Gestapo-Zentrale in Hamburg: Gedenkort nur für 20 Jahre sicher

Nach der gescheiterten Privatisierung des Gedenkens in der Ex-Gestapo-Zentrale übernahm nun eine Hamburger Stiftung den Ort. Die Perspektive ist vage.

Das Hamburger Stadthaus

Lukrative Immobilie mit Mini-Gedenkort: Hamburgs Stadthaus, während der NS-Zeit Gestapo-Zentrale Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Die nächsten Dekaden sind gesichert – aber vielleicht nur sie: Für 20 Jahre hat Hamburgs Senat jetzt den Gedenk­ort Stadthaus in der Ex-Gestapo-Zentrale mietfrei übernommen, laut Vertrag „mit unbefristeter Option auf Verlängerung“.

Warum es nur 20 Jahre wurden, kann Kulturbehördensprecher Enno Isermann auch nicht erklären. Jedenfalls profitiert der aktuelle Eigentümer der Immobilie von dem Arrangement: Die Ärzteversorgung Niedersachsen könnte leicht aus dem am gestrigen Donnerstag unterzeichneten Vertrag aussteigen. Danach könnte sie entweder Miete fordern oder den Gedenkort wieder ganz selbst betreiben. Das wäre dann allerdings die Neuauflage jenes privatisierten Gedenkens, das in den vergangenen Jahren gründlich misslang.

Binnen weniger Wochen und ohne Debatte in Kulturausschuss und Öffentlichkeit wurde der Vertrag am Mittwoch durch die Hamburger Bürgerschaft gebracht. Auch die vom Kultursenator versprochene Einbindung der Verfolgtenverbände im Vorfeld entfiel.

Nun ist also die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, zu der auch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme gehört, Betreiberin des Ortes und muss gerade rücken, was der Senat seinerzeit versäumte. 2009 nämlich hatte der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) die attraktive Innenstadt-Immobilie – im NS-Staat Sitz von Polizei, Kripo und Gestapo, wo etliche WiderstandskämpferInnen verhört und gefoltert wurden – an den Investor Quantum verkauft.

Lukrative Immobilie verkauft

Der verpflichtete sich vertraglich, einen 750 Quadratmeter großen Gedenk­ort einzurichten und zu betreiben. Er rechnete ihn dann auf 70 Quadratmeter in der Ecke eines Buchladens klein und luxussanierte den Gebäudekomplex zu den „Stadthöfen“ mit Hotel und Nobelläden. Seither hagelte es Proteste der Verfolgtenverbände, die seit 2018 jeden Freitag vor dem Stadthaus demonstrieren. Zur Beruhigung weihte die Kulturbehörde nach einem längeren Ausschreibungsprozess kürzlich die Bodenskulptur „Stigma“ ein, eine Art ins Trottoir eingelassene „Blutspur“. Eine Erklärungstafel an der Hauswand wollten weder die beiden beteiligten Künstlerinnen – Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper – noch der Eigentümer der Immobilie.

In diesem Frühjahr ging die Buchhändlerin, mit dem zusätzlichen Betrieb des Gedenkorts überfordert, insolvent, und seither rang man um eine Lösung. Die sieht jetzt vor, dass die Stadt einmalig 100.000 Euro für den Einbau eines multifunktionalen Veranstaltungs- und Seminarraums sowie partizipative Informationsangebote gibt. Und anders als die Kulturbehörde möchte die Stiftung nun durchaus im Vorfeld mit den Verfolgtenverbänden über eine eventuelle Ergänzung der Mini-Ausstellung beraten.

Zusätzlich gibt der Senat jährlich 139.000 Euro für die Bewirtschaftung des Ortes. Die unbefristete Vollzeitstelle für den Gedenkort finanziert die Stiftung derzeit noch aus eigenen Mitteln, die während der Corona-Pandemie eingespart wurden. „Sobald dieses Geld aufgebraucht ist, wird die Kulturbehörde diese Stelle finanzieren. Das ist fest zugesagt“, erklärt Behördensprecher Isermann.

Das ist löblich. Aber eigentlich müsste laut Ursprungsvertrag – und der bleibt ja gültig – der Gebäudeeigner Einrichtung und Betrieb des Ortes finanzieren. „Wir finden empörend, dass die Stadt das nun tut und den Eigentümer aus seiner Verpflichtung entlässt“, sagt Cornelia Kerth, Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA).

In der Tat beteiligt sich die Ärzteversorgung Niedersachsen, lediglich mit einer einmaligen Zustiftung von 25.000 Euro am Umbau des Gedenkorts.

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