Arbeiter über Zustände auf WM-Baustellen: „Über Menschenrechte sprechen“

Krishna Shrestha hat als Wanderarbeiter in Katar gearbeitet und das Migrant Workers Network gegründet. Für einen Vortrag kommt er ins Millerntorstadion.

Arbeiter auf der Baustelle des Al-Bayt-Stadions vor den Toren der Stadt Al Khor in Katar.

Arbeiter im Jahr 2017 auf der Baustelle des Al-Bayt-Stadions am Stadtrand von Al Khor in Katar Foto: Andreas Gebert/dpa

taz: Krishna Shrestha ist nicht Ihr wahrer Name. Warum müssen Sie Ihre Identität schützen?

Krishna Shrestha: Zusammen mit anderen nepalesischen Arbeitern in Katar und Teilen des Golf-Kooperationsrates haben wir eine informelle Gruppe gegründet, um uns über die Probleme der Wanderarbeiter im Nahen Osten auszutauschen und sie in Not zu unterstützen. Die Arbeit, die wir leisten, wird von den Regierungen jedoch nicht akzeptiert. Wenn der Staat von unserer Arbeit erfährt, könnte das für meine Kollegen gefährlich werden.

Sie haben selbst acht Jahre in Katar gearbeitet. Wie sehen die Arbeitsbedingungen dort aus?

Nicht gut. Auf den Baustellen sind die Arbeiter großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt und fallen wegen der harten, körperlichen Arbeit häufig in Ohnmacht. Oft müssen sie lange Strecken zwischen ihren Wohn- und Arbeitsorten zurücklegen. Mangels angemessener Lagerungssysteme verdirbt manchmal ihr mitgebrachtes Essen. Ich selbst hatte als Betriebsassistent in einem europäischen Modeunternehmen im Vergleich einigermaßen akzeptable Lebensbedingungen.

Wie steht es um die Löhne?

Krishna Shrestha ist das Pseudonym eines Vertreters des nepalesischen Migrant Workers Network in Katar.

Vor 2020 wurden die Arbeiter auf Basis ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität, ihres Passes bezahlt. Jene aus Südasien bekamen sehr wenig, pro Stunde zweieinhalb bis drei Katar-Riyal.

Der steht bei 27 Euro-Cent …

Oft machen sie vier bis fünf Überstunden täglich, die teilweise gar nicht bezahlt werden. Lohn bekommen sie nur unregelmäßig und werden oft monatelang nicht bezahlt. Die Menschen kommen mit der Hoffnung dorthin, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und ihre Familien in den Heimatländern zu unterstützen.

Wie werden Ar­bei­te­r:in­nen rekrutiert?

In Nepal läuft es meist über Zeitungsanzeigen von Vermittlungsagenturen. Alle Arbeitsmigranten, die nach Katar, Saudi-Arabien oder Malaysia gehen, müssen eine hohe Vermittlungsgebühr von, in meinem Fall, um die 2.000 US-Dollar, zahlen. Dafür müssen sie sich oft Geld zu hohen Zinssätzen leihen. Um die Schulden zu begleichen, müssen sie sechs bis sieben Monate arbeiten. Nach der durchschnittlich zweijährigen Vertragsdauer im Zielland, bleiben ihnen dann meist kaum Ersparnisse.

Wie wird die Situation der Ar­bei­te­r:in­nen in Nepal wahrgenommen?

In Medien und Politik ist das ein riesiges Thema. 24 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes wird durch die Rücküberweisungen der Arbeiter generiert. Die politischen Parteien reden häufig über den Beitrag von Wanderarbeitnehmern zum wirtschaftlichen Aufbauprozess, sind aber nicht bereit, ihnen ein Wahlrecht einzuräumen. Alle der rund 2,1 Millionen nepalesischen Arbeiter im Ausland haben zwar formal das Recht zu wählen, können das allerdings nicht aus dem Ausland tun. Sie sind also nicht in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden. Eine politische Verantwortlichkeit gegenüber Wanderarbeitnehmern gibt es nicht.

Hat Ihre Arbeit die Situation verbessert?

2020 wurden zwei wichtige Arbeitsreformen verabschiedet: die Abschaffung des Kafala-Systems und die Einführung eines neuen Mindestlohngesetzes. Wir können nicht sagen, dass es sehr bedeutende Schritte sind, aber zumindest hat Katar kleine Fortschritte gemacht. Auch auf Druck der internationalen Gemeinschaft sowie der Arbeiter selbst.

Was fordern Sie von der EU und Fifa?

Die EU oder die Fifa haben viel mehr Einfluss als die Arbeitnehmer. Sie müssten viel enger mit Katar zusammenarbeiten und ständig über Menschenrechtsfragen sprechen.

2021 haben Sie Katar verlassen. Werden Sie zurückkehren?

Ich möchte auf jeden Fall zurückkehren, weil ich mit der Hoffnung dorthin gegangen bin, meine Lebensbedingungen zu verbessern.

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